Sonea - Die Heilerin: Roman
Ich wollte dich nur beeindrucken.«
Ein Frösteln überlief Lilia. Plötzlich war sie sich Kallens Blick, der sich in ihre Augen bohrte, nur allzu bewusst. »Wie ist er gestorben?«, fragte sie schwach.
»Schwarze Magie«, zischte Naki. Dann senkte sie den Blick. »Was ist das? Was hast du an den Händen?«
Lilia schaute auf die dunklen Flecken hinab. »Ich weiß es nicht.«
»Das ist Blut, nicht wahr?« Nakis Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Das Blut meines Vaters …« Dann füllten ihre Augen sich mit Tränen, sie wirbelte herum und rannte aus dem Raum.
Lilia starrte ihr nach. Sie denkt, ich hätte ihren Vater getötet. Sie hasst mich. Ich habe sie verloren. Aber … ich habe ihren Vater nicht getötet. Oder doch? Ihre Erinnerungen an die vergangene Nacht waren an manchen Stellen vage. Das geschah immer, wenn sie zu viel Wein trank oder zu viel Feuel benutzte. Ihre Träume – waren es Träume gewesen? – hatten sich um eine Fantasie gedreht, in der sie Naki ihres Vaters entledigte, ohne über das Wie überhaupt nachzudenken.
»Habt Ihr Lord Leiden getötet?«, fragte Schwarzmagier Kallen.
Sie zwang sich, zu ihm aufzublicken. »Nein. Ich glaube es nicht.«
»Habt Ihr schwarze Magie erlernt oder zu erlernen versucht?«
Wie sollte sie diese Frage beantworten? Sie stellte fest, dass sie keine Worte fand. Ihr Kopf hämmerte so heftig, dass sie glaubte, er werde jeden Moment bersten.
»Lady Naki hat zugegeben, versucht zu haben, aus einem Buch schwarze Magie zu erlernen«, sagte der Heiler. »Sie behauptet, Lilia habe das Gleiche getan.«
Eine verräterische Erleichterung stieg in Lilia auf. Sie nickte. »Sie hat ein Buch. Nun, es gehört – gehörte – ihrem Vater. Er bewahrt es in der Bibliothek in einem Tisch mit gläserner Oberfläche auf. Sie hat es herausgeholt, und wir haben es gelesen – aber es ist angeblich nicht möglich, schwarze Magie aus einem Buch zu lernen.«
Kallen zuckte nicht mit der Wimper. »Trotzdem ist der Versuch verboten.«
Sie senkte den Blick. »Ich habe ihren Vater nicht getötet.« Wieder regte sich Zweifel in ihr und schlängelte sich in ihre Gedanken.
»Ist das die Angeklagte?«, erklang eine neue Stimme.
Die Magier drehten sich zur Tür um, so dass Lilia an ihnen vorbeischauen konnte. Ihr wurde flau im Magen, als sie Schwarzmagierin Sonea näher kommen sah. Nicht dass ein weiterer Schwarzmagier ihre Situation noch schlimmer gemacht hätte. Sie hatte Sonea immer bewundert, obwohl einem das, was die Schwarzmagierin in ihrem Leben alles getan hatte, durchaus Furcht einflößen konnte.
»Ja«, antwortete Kallen und trat vom Bett weg. »Ich werde in die Bibliothek gehen, um nach einem Buch zu suchen, das Anweisungen für die Benutzung von schwarzer Magie enthält. Sie haben beide gestanden, sich damit beschäftigt zu haben. Könntet Ihr die Gedanken der beiden Mädchen lesen?«
Sonea zog die Augenbrauen hoch, aber sie nickte. Als Kallen den Raum verließ, wandte sie sich den anderen Magiern zu.
»Zumindest sollten wir ihr gestatten, sich anzukleiden«, sagte sie. »Ich werde hierbleiben.«
»Findet heraus, was sie an den Händen hat, bevor sie es sich abwäscht«, rief der Heiler.
Lilia schaute ihnen nach, und als die Tür geschlossen war, schlüpfte sie aus dem Bett.
»Zeigt mir Eure Hände«, verlangte Sonea. Sie ergriff sie mit ihren eigenen Händen, die seltsam klein für eine so mächtige Magierin erschienen. Nicht dass Magie dazu führt, dass man größere Hände bekommt, ging es Lilia durch den Kopf. Also, das wäre unangenehm. Sonea hob eine von Lilias Händen, schnupperte daran und zog Lilia dann zum Waschbecken hinüber, wo sie etwas Wasser hineingoss.
»Wascht Euch«, befahl sie.
Lilia gehorchte mit einiger Erleichterung. Es dauerte ein Weilchen, bis sie den Fleck abgerieben hatte.
»Wir brauchen mehr Licht«, murmelte Sonea. Sie schaute zu den Rollos hinüber, die die Fenster bedeckten und im nächsten Moment nach oben glitten. Der Raum füllte sich mit Morgenlicht. Lilia schaute hinab und schnappte nach Luft.
Das Wasser hatte sich rot verfärbt.
»Aber wie …? Ich erinnere mich nicht …«, stieß sie hervor.
Sonea beobachtete sie nachdenklich. Sie trat einen Schritt zurück. »Zieht Euch an«, sagte sie, und ihr Tonfall lag irgendwo zwischen einem Befehl und einem Vorschlag. »Dann werden wir herausfinden, woran Ihr Euch erinnern könnt.«
Lilia gehorchte und schlüpfte so schnell sie konnte in ihre Novizenroben. Als sie damit fertig
Weitere Kostenlose Bücher