Sonea - Die Hueterin
Ihr habt Probleme mit dem Einschlafen.«
Ashaki Vikato lachte leise. »Der alte Richaki hat mehr Interesse daran, die Gegenwart zu dokumentieren, als die Vergangenheit ans Licht zu zerren. Meister Kirota!«
Der dünne Mann drehte sich um und lächelte dann, als Vikato ihn heranwinkte. Er bahnte sich einen Weg durch den Raum.
»Ja, Ashaki Vikato?«
»Botschafter Dannyl interessiert sich für Geschichte. Was würdet Ihr vorschlagen, wie er diesem Interesse nachgehen kann, während er sich in Arvice aufhält?«
Kirota zog die Augenbrauen hoch. »Wirklich?« Dann runzelte er die Stirn und dachte nach. »Es ist nicht leicht, Zugang zu Aufzeichnungen oder Bibliotheken zu erhalten«, warnte er. »All unsere Bibliotheken befinden sich in Privatbesitz, und Ihr müsstet Meister Richaki um Erlaubnis bitten, die Palastdokumente einsehen zu dürfen.«
Achati nickte. »Ich stehe mit den meisten Bibliotheksbesitzern in Arvice auf gutem Fuß. Wenn Ihr wollt, kann ich Euch mit ihnen bekannt machen und feststellen, ob wir zu einigen der Bibliotheken Zutritt erlangen können.«
»Dafür wäre ich Euch überaus dankbar«, erwiderte Dannyl.
Achati lächelte. »Es wird keine Probleme geben. Sie werden alle den derzeitigen Gildebotschafter kennenlernen wollen. Die einzige Schwierigkeit könnte darin bestehen, ihnen die Erlaubnis abzuringen, Euch lange genug allein zu lassen, um etwas zu lesen. Gibt es irgendeinen Aspekt der Geschichte, der Euch besonders interessiert?«
»Je älter, desto besser. Und...« Dannyl hielt inne, um darüber nachzudenken, wie er sein Anliegen ausdrücken sollte. »Obwohl ich gerne meine Wissenslücken in Bezug auf die sachakanische Geschichte füllen würde, interessiert mich doch auch alles, was einige der Lücken in der kyralischen Geschichte füllen könnte.«
»Ihr habt Lücken?« Kirota zog abermals die Augenbrauen hoch. »Aber andererseits - haben wir die nicht alle?« Er lächelte, und die Linien auf seinem dünnen Gesicht vertieften sich, so dass Dannyl bewusst wurde, dass der Mann älter sein musste, als er anfangs vermutet hatte. »Vielleicht könnt Ihr mir ja helfen, auch einige der Lücken in unserer Geschichte zu füllen, Botschafter Dannyl.«
Dannyl nickte. »Ich werde tun, was ich kann.«
Während Achati sich im Raum umsah, vielleicht um festzustellen, ob er es versäumt hatte, irgendjemanden mit den Neuankömmlingen bekannt zu machen, bemerkte Dannyl, dass er sich vollkommen wohlfühlte, obwohl er von Schwarzmagiern umringt war. Dies waren Männer von Macht und Einfluss, und mit solchen Männern hatte er in der Vergangenheit häufig zu tun gehabt.
Vielleicht wird meine Aufgabe nicht viel schwerer sein, als sie es in Elyne gewesen war. Nicht dass es dort ein Zuckerschlecken gewesen wäre. Und mir scheint, dass auch schwarze Magie niemanden daran hindert, gelehrten Interessen nachzugehen.
Ein Prickeln der Erwartung durchlief ihn bei dem Gedanken an die Dokumente, über die er vielleicht in diesen privaten Bibliotheken stolpern würde, die Achati erwähnt hatte. Dann durchzuckte ihn ein Stich des Schuldgefühls und des Kummers.
Es wäre schön gewesen, diese Entdeckungen mit Tayend zu teilen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er sich jetzt noch so sehr dafür interessiert. Und so freundlich diese Männer wirken, er ist daheim in Kyralia sicherer aufgehoben.
Die Menschenmenge vor dem Nordseite-Hospital war kleiner als gewöhnlich. Bleiche Gesichter wandten sich der Kutsche zu, und die Augen der Menschen leuchteten vor Hoffnung, obwohl ihre Mienen wachsam blieben. Sonea fuhr mit ihrem Wagen durch das Tor und musste unwillkürlich seufzen.
Als die Hospitäler seinerzeit eröffnet worden waren, hatten sich Horden kranker Menschen draußen vor den Toren versammelt und sich zu denen gesellt, die nur gekommen waren, um die legendäre Magierin aus den Hüttenvierteln, die ehemalige Verbannte und Verteidigerin Kyralias zu sehen. Jene Menschen, die ihre schwarzen Roben nicht eingeschüchtert hatten, hatten sie bettelnd umringt und es ihr erschwert, ins Hospital zu gelangen und die Arbeit zu tun, die sie tun musste. Sie hatte sich nicht dazu überwinden können, die Bittsteller mithilfe ihrer Magie fortzuschieben. Andere Heiler hatten ähnliche Probleme gehabt, wenn die Kranken, die noch nicht im Hospital aufgenommen worden waren, oder ihre Familien um Hilfe bettelten.
Daher hatte man geschlossene Kutschenwege neben den Hospitälern erbaut, mit Wachen an den Toren und einem Nebeneingang.
Weitere Kostenlose Bücher