Song of Blood (German Edition)
gegangen war, hatte ihm Songlian ein Bild von Ooghis jetziger Hülle, der menschlichen Gestalt eines Mannes namens Michael Carter, auf sein Handy gesandt. So wusste er wenigstens, nach wem er zu suchen hatte. Zu seinem Bedauern war von dem Dämon weit und breit nichts zu sehen. Die Kugel fand einen Ruheplatz auf der Roulettescheibe und der Croupier zeigte mit seinem Rateau das Ergebnis an.
„Onze, noir, manque et impair. – Elf, schwarz, niedrig und ungerade.“ Gewinne wurden verteilt, die verlorenen Jetons eingezogen. Mathis erhob sich von seinem Platz, lächelte in die Runde und sagte höflich:
„Merci pour le jeu. – Danke für das Spiel.“
Vielleicht fand er Ooghi eher, wenn er einmal quer durch das luxuriös ausgestattete Kasino schlenderte. Er ging langsam an Tischen vorbei, an denen Black Jack, Baccara oder Poker gespielt wurden, und musterte dabei unauffällig die gewollt ausdruckslosen Gesichter der Spieler. An der Bar bestellte er sich ein Glas Champagner und lächelte dem Barkeeper aufmunternd zu. Der junge Mann hinter der Theke erwiderte das Lächeln ein wenig schüchtern, kam seinem Wunsch nach und polierte anschließend weiterhin eifrig mit einem Lappen das glänzende Holz. Allerdings bemerkte Mathis, dass er aus den Augenwinkeln gemustert wurde.
„Pardon?“
Der Barkeeper horchte auf.
„Ich habe gehört, dass es unlängst einen neuen Besitzer dieses Kasinos gab. Est-ce exact? – Ist das richtig?“, erkundigte sich Mathis.
„Kommt darauf an, was Sie unter unlängst verstehen, Monsieur. Denn Monsieur Carter ist bereits seit etwa zehn Monaten der neue Inhaber des Bonheurs. Möchten Sie einen weiteren Champagner?“
„Ehrlich gesagt würde ich lieber einen Cocktail trinken. Dieses Blubberwasser ist nicht so mein Fall. Was würden Sie mir denn empfehlen?“ Mathis lehnte sich lässig an die Bar und schenkte dem jungen Mann einen gewollt lasziven Blick. Der errötete leicht, wich aber Mathis’ Blick nicht aus.
Aha, angebissen.
„Ich würde Ihnen Baisers franca is empfehlen.“
Französische Küsse? Anzüglicher ging es wirklich nicht. Beinahe hätte Mathis gelacht. Florean hätte seine wahre Freude an dem jungen Barkeeper gehabt. Vielleicht sollte er ihm mal einen Tipp geben.
„S’il vous plâit“, forderte er den Barkeeper auf. Der begann die verschiedenen Zutaten zusammenzumixen und stellte den Cocktail wenig später vor Mathis ab.
„Merci beaucoup“, bedankte er sich und probierte das Ergebnis. „Das ist gut.“
„Freut mich, wenn es Ihnen schmeckt.“ Der Barkeeper strahlte ihn an. Offensichtlich versuchte er sich Chancen bei Mathis auszurechnen. Wie amüsant! Er wagte einen weiteren Vorstoß:
„Sagen Sie, besteht die Möglichkeit einmal mit Monsieur Carter zu sprechen?“
„Geschäftlich?“, erkundigte sich der Barkeeper. Mathis nickte. Sein Gegenüber wirkte enttäuscht, als ihm aufging, worauf Mathis bei ihrem leichten Geplänkel aus gewesen war.
„Jetzt gleich?“
Mathis nickte wieder, dieses Mal mit einem entschuldigenden Lächeln. „Wenn das machbar wäre. Ist er denn da?“
„Oui, der Monsieur dort an dem Sic Bo-Tisch.“
Mathis drehte sich um und blickte auf einen Rücken, der in ein weißes Jackett gekleidet war.
„Ich werde mich mal für Sie erkundigen, ob Monsieur Carter Zeit für Sie hat. Einen Moment, bitte.“ Der Barkeeper kam um die Bar herum und ging geradewegs zu Ooghi hinüber.
Knackiger Hintern, dachte Mathis. Könnte durchaus in Floreans Beuteschema fallen. Nur gut, dass er mit Far zu Hause ist.
Er konnte beobachten, wie der Barkeeper rasch mit Ooghi redete und dieser sich daraufhin kurz nach Mathis umdrehte. Schließlich erhob sich der weiße Anzug, knipste professionell ein geschäftsmäßiges, schmieriges Lächeln in sein Gesicht und kam auf Mathis zu. Sofort fand er den Mann unsympathisch, unabhängig davon, dass er wusste, was sich hinter der gestohlenen menschlichen Hülle eigentlich für ein Wesen verbarg.
„Monsieur, Sie baten um eine Unterredung mit mir?“
„Monsieur Carter?“
„Aye, und mit wem habe ich das Vergnügen?“
Auf einmal merkte Mathis, wie unvorbereitet er in das Kasino spaziert war. Sollte er Ooghi seinen richtigen Namen nennen? Besser nicht. Also improvisierte er eilig:
„Adrien Gilbert, enchanté. Können wir irgendwo unter vier Augen über ein kleines Geschäft reden?“
Ooghi sah ihn einen Moment prüfend an, ehe er nickte.
„Natürlich. Mein Büro liegt gleich dort drüben. Folgen Sie mir
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