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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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sie anklagend. Er stellte die Harfe auf den Boden und fuhr mit der Hand über die wildlederne Schutzhülle.
    »Entschuldigung, Miss.«
    »Wie heißt du?«
    »Mein Name? Verrol, Miss.«
    »Dann hör mir gut zu, Verrol. Du verstehst das zwar nicht, aber eine Harfe kann sich sehr leicht verstimmen. Bitte jemanden, dir beim Tragen zu helfen!«
    »Bitte jemanden, dir beim Tragen zu helfen«, wiederholte er langsam, fast sarkastisch. Er hatte das Gesicht eines Mannes in seinen frühen Zwanzigern, und zugleich sah er älter aus. Es war ein starkes Gesicht, ein absolut nicht unattraktives Gesicht. Er machte eine finstere Miene, und die vage Art, wie er den Mund verzog, gefiel Astor nicht, denn sie verriet eine versteckte Unverfrorenheit.
    Sie wollte ihn gerade zurechtweisen, als sie bemerkte, dass etwas mit dem aufgestapelten Gepäck nicht stimmte. Es war nur ihres! Was war mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater? Wo war deren Gepäck?
    Doch bevor sie ihre Mutter fragen konnte, legte der Marshal, der die diversen Papiere unterschrieben hatte, die Schreibfeder beiseite und drehte sich zu ihnen um. »Zeit zum Aufbrechen, Mrs Dorrin«, sagte er.
    Astor starrte ihn an. »Ihr wollt aufbrechen?«
    Marshal Dorrins Augen waren auf seine Ehefrau gerichtet. »Ich habe getan, wofür ich gekommen bin.«
    »Es ist alles gut, Liebes.« Mrs Dorrin lächelte ihrer Tochter beschwichtigend zu. »Du wirst alleine sehr gut zurechtkommen.«
    Astor schüttelte ihren Kopf. »Nein!
Nicht
! Geh nicht, Mutter!«
    In diesem Moment war sie wieder ein kleines Mädchen. Mrs Dorrin fühlte sich sichtlich unbehaglich. Marshal Dorrin hielt seiner Ehefrau den Arm hin.
    »Das Luftschiff ist fertig zum Ablegen«, sagte er mit eisiger Stimme.
    Mrs Dorrin zuckte zusammen. »Da, siehst du, Liebes. Wir müssen los. Das Luftschiff wartet nicht, es gehört ja nicht uns.«
    »Aber du musst doch bis zur Zeremonie bleiben«, insistierte Astor. »Ich brauche dich hier!«
    »Zeremonie?« Mrs Dorrins Blicke flogen hilflos hin und her. »Ich weiß von keiner Zeremonie.«
    »Wie bitte?« Astor platzte fast vor Entrüstung. »Du willst sagen, das war’s? Einfach nur unterschreiben?« Sie zeigte auf die Papiere auf dem Tisch. »Das war
alles

    Marshal Dorrin runzelte die Stirn missbilligend. Astor meinte fast zu hören, wie er
Befehlsverweigerung
vor sich hinmurmelte.
    »Psst, Liebes«, flüsterte Astors Mutter. »Du verärgerst deinen Stiefvater.«
    Ihren Stiefvater zu verärgern, war genau das, was Astor vorhatte. Wütend schimpfte sie los: »Das könnt ihr mit mir nicht machen! Ich werde nicht einfach zurückgelassen! Das lasse ich mir nicht gefallen!«
    Bartizan schien sich zu amüsieren, Lorrain blickte eher betroffen, und Phillidas wirkte vollkommen gleichgültig. Der Marshal blickte starr in den Raum, wütend und ratlos. Das war Astors einzige Macht über ihn, denn nichts hasste er mehr als jede Art von Szene, weil seine militärische Ausbildung ihn nicht gelehrt hatte, mit Emotionen von Frauen umzugehen.
    Ein Klirren der Harfensaiten unterbrach das Schweigen. Ihr Diener – Verrol – war wieder gegen die Schutzhülle der Harfe gekommen. Marshal Dorrins zorniger Blick wich plötzlich dem der Erleichterung.
    »
Er
kann hier bei ihr bleiben«, sagte er.
    Astor blickte von ihrem Stiefvater zu Verrol und zurück. »Wie bitte?«
    Der Marshal wandte sich an Bartizan und Phillidas. »Natürlich nur, wenn das für Sie akzeptabel ist. Nur für die ersten paar Wochen, bis sie sich eingelebt hat.«
    Bartizan zuckte mit den Schultern. »Ich bin mir sicher, dass wir Arbeit für ihn finden werden.«
    »Munnock soll sich darum kümmern«, sagte Phillidas.
    Mit einem brüsken militärischen Bellen wandte sich Marshal Dorrin an den Diener. »Du bleibst bis auf weiteres in Swale House. Verstanden?«
    »Jawohl, Sir.« Verrols respektvolle Antwort passte nicht so ganz zu seiner erhobenen Augenbraue und der Spur eines leichten Grinsens in seinen Mundwinkeln.
    »Aber darum geht es doch gar nicht«, protestierte Astor. »Ich brauche keinen männlichen Diener. Ich brauche …«
    »Mrs Dorrin,
wenn ich bitten darf
.« Wieder hielt der Marshal seiner Frau den Arm hin.
    »Nein!« Astor hielt ihre Mutter am Ellbogen fest, als sie sich auf den Weg machen wollte. »Ich brauche dich!«
    Mrs Dorrin warf ihrer Tochter einen flehenden Blick zu. »Bitte, zwinge mich nicht zu wählen«, murmelte sie.
    Das nahm Astor den Wind aus den Segeln.
Zwinge mich nicht zu wählen
bedeutete, dass sie ihre Wahl

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