Songkran
folgte dem schmalen, sandigen Pfad in Richtung Uhrturm.
Gun verharrte auf seinem Platz und starrte auf das abgegriffene Stück Zeitungspapier. Plötzlich fühlte er sich beobachtet. Er drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der er die fremden Augen vermutete. Er sah niemanden.
Die Nadel im Heuhaufen
Zurück in seinem klimatisierten Büro im Lumphini Polizeirevier las Gun den Zeitungsartikel wieder und wieder.
„Mafiamord in Chanthaburi? Siebzigjähriger Mann bestialisch ermordet! Das Opfer, das aus der Stadt Surin stammt, wurde vorgestern in der Nähe des Highway 3 tot aufgefunden. Der Körper, der unzählige Spuren brutalster Misshandlung aufweist, wurde in das Gerichtsmedizinische Institut der Universität Bangkok gebracht. Erste Ermittlungsergebnisse legen nahe, dass der Mann Opfer der lokalen Mafia geworden ist. Darauf deuten die massiven Folterspuren am Körper des Mannes hin. Die Ermittlungen der Polizei zu den Tatumständen und den Hintermännern dauern an.“
Ein alter Mann wird in Chanthaburi gefoltert und ermordet. Eine Kiste C4 verschwindet aus einem illegalen Munitionsdepot in der gleichen Gegend. Wo ist der Zusammenhang? grübelte Gun.
Es klopfte an die Tür. Noi streckte ihren Kopf ins Zimmer. Sie lächelte. Ihre braune Dienstuniform saß wie angegossen.
„Oh. Entschuldigung, Sir. Bin ich zu früh?“ Nois Frage bezog sich auf Guns verschwitzte Sportkleidung, die er nicht gegen seine Dienstuniform gewechselt hatte.
„Nein, kommen Sie rein.“ Er winkte Noi zu und deutete ihr an, auf dem bequemen Holzstuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Den Zeitungsausschnitt legte er in die Büroablage.
„Sie wollten mich sprechen, Sir?“, fragte die junge Frau.
„Ja, was haben Ihre Ermittlungen in den NGOs ergeben?“
„Nichts konkretes, Sir. Niemand hat das Phantombild wieder erkannt.“ Ihre Gesichtsmimik verriet ihre Enttäuschung.
„Wenigstens war es einen Versuch wert.“
„Aber ich soll Sie herzlich von Khun Kaufmann grüßen.“
„Sie waren also bei Ihr. Eine bemerkenswerte Person. Und was hat sie Ihnen erzählt?“ Gun hatte im Vorfeld vermieden, die alte Dame zu erwähnen, um die Recherche seiner Mitarbeiterin nicht zu beeinflussen.
„Dass so viele Menschen ihren Lebensunterhalt in der Prostitution haben, hat mich schockiert. Später habe ich mir so meine Gedanken gemacht, Sir. Die Bombenleger wollen diesen schlimmen Zustand verändern. Das ist doch richtig, oder?“
Gun nickte. Er spürte, auf was Noi hinaus wollte.
„Auch wenn ihre Motive ehrenhaft sind, ihre Taten sind es auf keinen Fall. Und unsere Aufgabe ist es, diese gefährliche Gruppe dingfest zu machen, bevor irgendwo in Bangkok eine Bombe hochgeht. Haben Sie mich verstanden?“, belehrte Gun Noi. Seine Stimme war ernst. Noch nie hatte Noi ihren Chef dermaßen autoritär erlebt.
„Ich habe eine wichtige Aufgabe für Sie.“ Er griff nach dem Zeitungsabschnitt und reichte ihn Noi.
„Rufen Sie die Kollegen in Chantaburie an und finden sie heraus, was dahinter steckt. Warum wurde der alte Mann ermordet? Irgendwie hat der Tote etwas mit unserem Sprengstoff zu tun.“
Gun nickte Noi zu, die sich aus dem Stuhl erhob und schweigend den Raum verließ. Seine junge Mitarbeiterin hatte ihren Finger in eine Wunde gelegt. Seine Schroffheit ihr gegenüber tat ihm leid. Nois angedeutetes Verständnis für die Bombenleger könnte sich als gefährlicher Explosionsherd für die junge Kollegin erweisen.
Mex war hundemüde. Er drehte den Schlüssel um 180 Grad nach rechts. Der Riegel schob sich ins Schloss. Die Aktentasche flog in die Ecke, in der ein Stapel Altpapier lag. Der lederne Bürostuhl lachte ihn an. Er ließ sich auf das weiche Polster fallen. Die Lehne bog sich zurück.
Sein Büro lag in der zweiten Etage an der Rückseite des Gebäudes. Die SOKO Nana Plaza arbeitete im Erdgeschoss. Der Nachteil, weit weg vom Geschehen zu sein, war an diesem Morgen ein unbezahlbarer Vorteil. Eine fast aseptische Ruhe umgab ihn. Mex brauchte Zeit zum Nachdenken und Planen. Er streckte die Beine aus und schubste den Berg Akten vom Schreibtisch. Die Papiere fielen herunter und verstreuten sich am Boden.
Anstatt in der zurückliegenden Nacht Schlaf zu tanken, hatte er seine Potenz auf die Probe gestellt. Das Mädchen bekam er frei Haus zugestellt. Der Absender war ein Barbesitzer in Nana Plaza. Wer wollte schon den stellvertretenden Polizeichef von Lumphini zum Gegner haben? Die Lieferung der letzten
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