Sonne, Meer und Bea (German Edition)
die Adresse war in der Altstadt, das weiß ich noch genau!« Ihre Augen leuchten. »Das ist doch ein guter Anfang, oder?«
Na ja, wie man's nimmt. Die Altstadt ist ein pulsierendes Labyrinth aus kleinsten Gassen. Aber egal, wir haben versprochen zu helfen, dann machen wir das auch. Dabei lassen wir uns von Silvie nicht unser Kultur-Programm vermiesen. Wir werden in aller Ruhe die Stadt anschauen und die Sehenswürdigkeiten abklappern. Mehr als dabei unsere Augen nach der Sonne offenzuhalten, können wir eh nicht.
Den Ganges mit der Menschenmasse am Manikarnika Ghat lassen wir links liegen und stürzen uns direkt in das verwirrende Getümmel der Altstadt. Hier herrscht rege Betriebsamkeit. Wir werden auf unserem Weg stets und ständig angesprochen, weisen jedoch jegliche Anliegen rigoros ab. So bahnen wir uns unseren Weg durch das verwinkelte Zentrum und betrachten die verschiedenen Tempel und Moscheen. Dabei müssen wir ständig auf Silvie achtgeben. Aufgescheucht läuft sie vor und zurück, um die nächste Ecke, bleibt hier und dort stehen und späht in die Gegend.
»Wo kann es nur sein? Es muss doch hier irgendwo sein!«
»Silvie, bleib ruhig! So hektisch wirst du deine Organisation niemals finden. Wir laufen doch gerade alle Straßen ab. Also bleib einfach bei uns und halte die Augen offen. Die Organisation hat doch bestimmt ein großes Schild am Eingang! Wenn du uns hier noch verloren gehst, hilft dir das nicht weiter!« Pauls Ansage wirkt. Silvies Panik legt sich ein wenig.
»Du hast recht, Paul! Erstmal Durchatmen! Atmen wirkt Wunder!« Mitten auf dem schmalen Weg bleibt sie stehen und vollzieht die Atemübungen, die wir heute Morgen in der Yogastunde gemacht haben.
Einige Passanten umrunden sie, doch ein junger Mann, der auf seinem Rücken einen riesigen Sack transportiert, kann nicht mehr stoppen und kommt durch Silvies abrupten Stillstand ins Taumeln. Der Sack rutscht von seinem Rücken, schlägt auf und glitzernde Armreifen prasseln auf den Boden. Paul und ich helfen beim Aufsammeln und murmeln entschuldigende Worte. Als wir alle Reifen beisammenhaben, hievt der Mann den Beutel zurück auf seinen Rücken und hetzt gebückt weiter.
»Ein: mhhhh - und aus: ffff.« Silvie hat von dem von ihr ausgelösten Schlamassel nichts mitbekommen. Mit geschlossenen Augen steht sie in der Gasse und atmet einfach. Paul und ich schauen uns verdutzt an.
»Ist die wirklich so verpeilt?«
»Sieht so aus.« Ich weiß nicht, ob ich verärgert sein, oder einfach lachen sollte. Die Situation ist zu absurd.
»Ein: mhhhh - und aus: ffff.« Silvie öffnet die Augen und strahlt uns an. »So, nun kann es weitergehen. Jetzt ist mein Geist offen und bereit die Adresse zu finden.« Sie geht beschwingt weiter.
Dennoch bin ich es, die Silvie drei Straßenzüge weiter auf das Schild aufmerksam machen muss.
»Hey Silvie, komm zurück! Schau mal, kann es das hier sein?«
Am Eingang eines größeren Komplexes prangt das Metallschild: Happy Sunshine Girls, in roten Lettern, umgeben von Sonnenstrahlen.
»Super, das ist es! Bestimmt! Sunshine Girls, wie konnte ich das nur vergessen? Kommt mit, ich will mich vorstellen!«
Ob das wirklich die richtige Organisation ist? Ganz überzeugt wirkt Silvie nicht, eher so, als ob sie sich selbst mit ihren Worten überzeugen wolle. Sie läuft vor, ich wende mich an Paul:
»Wir gehen kurz mit rein, ja? Nur schnell schauen, ob sie dort wirklich richtig ist, dann können wir sie guten Herzens sich selbst überlassen! Okay? Die geht mir so auf den Senkel!«
»Mir auch! Aber ich will mir das auf jeden Fall auch mal anschauen! Wo wir so lange danach gesucht haben, muss ich mir ein Bild davon machen.«
Wir stapfen hinter Silvie her.
»Wisst ihr, wo wir hin müssen? Wo ist denn das Büro?« Silvie sieht schon wieder den Wald vor lauter Bäumen nicht.
»Ähm, Silvie, wie wär's, wenn du einfach mal den Schildern folgen würdest? Da steht es doch groß und deutlich: Office!«
»Oh ja, hab ich gar nicht gesehen …«
Bin ich froh, wenn wir das verpeilte Küken bald los sind! Nur noch ein paar Minuten, dann können wir Silvie ihrem Schicksal überlassen.
Das Büro ist in einem schicken Neubau untergebracht. Als wir den Eingang betreten, kommt ein Wachmann auf uns zugeeilt, der hastig seinen Gürtel schließt. Freundlich fragt er nach unserem Begehr und wir erklären Silvies Anliegen. Er leitet uns gut gelaunt zur Chefin ins Büro und schlendert pfeifend zurück zu seinem Platz vor der Tür.
Eine
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