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Sonne, Meer und Bea (German Edition)

Sonne, Meer und Bea (German Edition)

Titel: Sonne, Meer und Bea (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Christopher
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schauen uns das Spektakel aus der Entfernung an. Wie können diese traurigen Bilder so viele Touristen faszinieren? Manche fotografieren doch tatsächlich die brennenden Leichname! Ich bin fassungslos und versuche das Gegenteil - die Bilder nicht zu detailliert in meinen Kopf zu lassen, um mich nicht an sie zu erinnern.
    »Tolle Stimmung, oder?«, Silvie fragt das ganz im Ernst. Sie schaut interessiert umher und hat ein Leuchten in den Augen. Wie um alles in der Welt kann man von Leichenverbrennungen begeistert sein?
    »Na ja, als toll würde ich das nicht bezeichnen«, meint Paul. »Aber es hat seinen eigenen Reiz. Der Trubel, die Feierlichkeit, … Und schaut, jetzt wird er dem Ganges übergeben. Das ist wirklich faszinierend!«
     Ein Scheiterhaufen kohlt in den letzten Zügen und wird gerade von ein paar Männern in den Fluss geschoben. Auch Paul ist von diesem Schauspiel hingerissen. Bin ich hier die einzige Normale?
    »Was ist denn daran so interessant? Ich finde es einfach schrecklich!«
    Paul und Silvie schauen mich erstaunt an.
    »Warum?«, fragt Silvie naiv.
    »Das ist nun mal der Lauf der Dinge. Und einem Hindu kann doch gar nichts Besseres passieren, als dass er nach seinem Tod in den heiligen Ganges kommt. Wir können uns für ihn freuen!« Paul sieht das Ganze sehr pragmatisch.
    »Nee, also mir ist schon ganz schlecht! Kaum ist der eine Leichnam im Fluss, brennt schon der nächste. Ich kann mir das kaum anschauen!«
    »Ach komm, Maja. Nur noch ein paar Minuten. Dann gehen wir.«
    Paul richtet seine Aufmerksamkeit auf den nächsten Scheiterhaufen. Er ist zum Anzünden vorbereitet. Ich möchte nicht sehen wie die Flammen von dem Menschen, auch wenn er nicht mehr lebt, Besitz ergreifen. Meine Augen wandern über das riesige Lager mit den Holzscheiten, das sich neben dem Ghat erstreckt. Ein paar Männer holen Nachschub und schleppen die Scheite vom Lager zum Ghat. Einer sitzt mitten zwischen den Hölzern im Schneidersitz auf einem Sack. Etliche Ketten trägt er um den Hals. Sie liegen auf seinem nackten dunklen Oberkörper. Seine Haare sind zu langen Rastas verfilzt. Seine Augen sind geschlossen, er scheint zu meditieren.
    Das hingegen finde ich faszinierend. Der Anblick des Mannes zieht mich in den Bann. Er strahlt eine immense Ruhe aus. Voller Würde ist er in sein eigenes Universum versunken. Ich kann nicht aufhören, ihn zu betrachten. Sein Körper pulsiert, es scheint eine enorme Kraft von ihm auszugehen. Seine Haare fallen auf seine Arme, seine Hände liegen entspannt auf seinen verschränkten Beinen. Alles fließt ineinander, alles ist eins. Unter seinen Beinen entstehen neue Arme.
    Spinne ich jetzt? Ich blinzle und schaue genauer hin. Nein, tatsächlich! Mein Magen dreht sich um. Der Sack ist gar kein Sack! Der Mann meditiert auf einem Menschen – auf einer Leiche. Meine Beine knicken unter mir weg. Sofort ist Paul da und zieht mich zu sich hoch.
    »Maja, was ist los?« Panik schwingt in seiner Stimme. Er packt mich an den Oberarmen.
    Ich bekomme keinen Ton raus und zeige nur in Richtung des Mannes.
    »Oh, ein indischer Rastafari«, scherzt Paul.
    Ich reiße mich los und renne durch die Menschenmenge die Stufen zum Wasser hinunter. Mein Magen rumort, doch herauskommen will nichts. Ich hänge eine Weile über dem Ganges und schaue in das trübe stinkende Wasser. Was da alles Ekliges drin schwimmt. War das gerade ein kleiner Finger? Oder doch nur ein Stück verkohltes Holz? Ich besinne mich auf meine Taktik und schaue nichts genau an.
    Paul kommt mir nach und legt seine Hand zart auf meinen Rücken. »Geht's wieder?«
    Ich nicke und lasse mich neben ihm auf einer Stufe nieder. »Was war denn los? Warum hat dich der Anblick des meditierenden Mannes so verstört?«
    »Hast du es denn nicht gesehen?«
    »Was?«
    »Der saß auf einem Toten!«
    »Echt? Ich dachte, der sitzt auf einem Sack.«
    »Nein, ich hab's genau gesehen. Es war eine Leiche!«
    »Komische Sitten haben die indischen Rastafaris! Mhm, das muss ich mir noch mal anschauen. Kommst du mit?«
    Widerwillig folge ich Paul die Treppe hoch, zurück zum Holzlager.
    »Er ist verschwunden.« Paul klingt enttäuscht. »Aber eine Leiche sehe ich auch nicht.«
    »Sie muss aber noch hier sein!« Ich schaue mich um. »Komisch!«
    Am Ghat laden gerade zwei Männer einen Toten auf eine Bahre und schichten Holz um ihn herum. »Hey, vielleicht ist er das!«
    »Ja, vielleicht.« Paul zuckt mit den Schultern. »Oh, da kommt Silvie. Die hatte ich ganz

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