Sonne, Meer und Bea (German Edition)
vergessen.«
»Hey, ihr beiden. Da seid ihr ja wieder. Ihr könnt doch nicht einfach so wegrennen! Auf einmal stand ich hier ganz allein.«
»Maja musste in den Ganges kotzen.«
»Stimmt doch gar nicht«, empöre ich mich. Warum muss Paul mich immer so schlecht darstellen?
»Nicht?«, fragt Silvie.
»Na ja, erst sah es so aus, aber es war doch Fehlalarm.«
»Puh, dann bin ich ja froh!«
»Ach, so schlimm wär es ja auch nicht gewesen.«
»Oh doch!« Silvie schaut uns entschlossen an.
»Warum?«, fragen Paul und ich unisono.
Silvie atmet tief ein und macht eine theatralische Pause. »Na, weil ich es doch mache!«
»Wie? Was machst du?« Paul ist ebenso verwirrt wie ich.
»Ich mach's. Ich lass mich im Ganges segnen! Aber wenn Maja da jetzt reingekotzt hätte … Das wäre mir doch zu eklig gewesen.«
Ich denke an die Millionen Inder die schon in den Fluss gekotzt, gekackt, oder was auch immer gemacht haben, und unterdrücke mein Lachen.
Paul
Sachte steigt Silvie die Treppen hinab. Im Wasser steht schon der Guru und erwartet sie.
»Hast Du Dir das auch gut überlegt?«, möchte ich wissen.
»Das ist doch nicht schlimm. Ich gehe nur bis zu den Knien ins Wasser. Und man wird ja auch nicht gleich ins Wasser geschmissen.«
»Und wenn Du untergetaucht wirst?«
»Nein, er soll mich nur segnen. Das werde ich ihm vorher sagen.«
Behutsam krempelt sie an der letzten Stufe ihren Rock hoch und steigt vorsichtig in die trüben Fluten.
Zuerst muss sie dem Guru ein paar Scheine rüberwachsen lassen, dann führt er sie bis zum Bauchnabel ins Wasser. Silvie wird unsicher. Doch ein Zurück gibt es nicht mehr. Der Guru beginnt mit seiner Zeremonie. Er lässt ein Messinggefäß mit einem kleinen Feuer um ihren Kopf kreisen und spricht beschwörende Worte. Silvie schließt die Augen.
Der Guru stimmt einen mantrischen Gesang an, legt Silvie seine Hand auf ihren Kopf und schwupps, ist sie untergetaucht. Einmal, zweimal, dreimal.
Als sie wieder auftaucht, spuckt sie Wasser. Der Ekel ist in ihrem schockstarren Gesicht gezeichnet.
»Bäh!«, meint Maja und dreht sich weg. Ich spüre hinter meinem Rücken den Ansatz eines Lachanfalls. Diplomatisch sammelt sich Maja wieder und schenkt Silvie die gebotene Aufmerksamkeit. »Hätte ich ein Handtuch, würde ich es dir reichen.«
»Komm!« Ich biete ihr meine Hand an.
Silvie torkelt die erste Stufe hoch, rutscht weg und landet erneut im Ganges. An ihr vorbei schwimmt ein kleiner Haufen. Sie sieht ihn an und nimmt erneut Anlauf. Sie greift meinen Arm mit beiden Händen. Dann lässt sie sich auf den Stufen nieder und wringt ihren Rock aus.
»Was soll ich jetzt tun? Was mache ich jetzt bloß?«
Verstört zupft sie an ihren Haaren und versucht Pflanzenreste heraus zu friemeln.
»Am besten gehen wir zurück ins Hotel und du duschst und ziehst dich um«, versucht Maja zu helfen.
»Und was ist mit meinem Karma?«
Silvie hat seltsame Ideen.
»Und du nimmst irgendetwas ein, damit du dir keinen Magen-Darm-Virus holst«, gebe ich noch zu bedenken.
»Weshalb hat er mich untergetaucht? Ich hatte ihm doch gesagt, dass ich das nicht will.«
»Hat er dich denn verstanden?«, frage ich sie.
»Weiß ich nicht. Er hat mit mir nicht Englisch gesprochen.«
Damit dürfte diese Frage geklärt sein. Ich schaue meine Hand an und weiß nicht so recht, was ich mit ihr machen soll. Maja erkennt mein Dilemma: »Im Hotel desinfizieren wir alles gründlich. Solange darfst Du mich aber nicht anpacken. Dein Arm steht unter Quarantäne.«
»Und Silvie?«
»Erst recht!«
Maja lässt mich neben Silvie die Straße herlaufen. Sie ist auf Abstand bedacht. Die anderen Touristen auf dem Weg zum Ghat betrachten Silvie mit Neid, dass sie sich so intensiv auf Indien eingelassen hat. Ein paar Einheimische schauen sie mitleidig an. Am meisten Leid tue ich mir aber selber. Schon wieder hat Silvie uns dazu gebracht den Tag anders zu verbringen als von mir geplant.
Maja grinst hämisch: »Mich würde interessieren, ob Silvie ein Vorbild für die anderen Touristen auf dem Weg zum Ghat ist. Am liebsten würde ich noch mal zurückgehen und mir auf den Stufen das Schauspiel ansehen. Wir könnten Wetten abschließen, wie viele sich jetzt auch segnen lassen.«
Silvie schleicht apathisch neben uns her und bekommt Majas Frotzeln nicht mit. Ich antworte nicht. Ich hätte gerne am Abend eine Zeremonie am Ufer gesehen. Sie sollen so atmosphärisch sein. Aber Silvie können wir in dieser Situation wohl nicht alleine
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