Sonne, Meer und Bea (German Edition)
Meer. Offen bis zur Antarktis. Ehrfurcht überkommt mich, wie wir da an dem zerklüfteten Ufer am Ende der Welt stehen. Ich stemme meine Arme in die Seite und hole tief Luft. Der Wind zerwuselt meine Haare. Maja geht es zum Glück besser. Hinter mir befindet sich ein wichtiger, aber unspektakulärer Tempel, an dem Massen anstehen. Davor sitzen Wahrsager mit Papageienkäfigen, die ihrer Kundschaft Weissagungen machen und Astrologen, die dein Schicksal kennen. Ich habe kein Interesse daran.
In grellem Rosa scheint auf der Sonnenuntergangsseite das Gandhi-Ehrenmal. Die Besichtigung kostet eigentlich nichts, aber ein Wärter erkennt die Gunst der Stunde und quatscht sich als unser Führer auf. Wir waren nicht erpicht darauf, aber er erzählt uns dieses und jenes. Ich bemühe mich, nicht den Wahrheitsgehalt zu hinterfragen. Er berichtet von dem schrecklichen Tsunami 2004, bei dem er viele Verwandte verloren hat und seitdem er auf einem Auge blind ist. Er zeigt, wie hoch das Wasser im Gebäude gestanden hat. Ich bin sehr betroffen.
Der Wärter führt uns in einen abgesperrten Bereich in der Mitte des Raumes, während die anderen Gäste außen herumlaufen müssen. Dieses Privileg ist natürlich nicht umsonst. Am Ende seiner Tour hält er uns ein Buch vor die Nase, in dem ein paar Hundert-Rupienscheine stecken. Ich drücke ihm 100 Rupien in die Hand. Er hatte sich wohl mehr erhofft und hält das Buch auch Maja unter die Nase. Aber wir weisen sein Verlangen zurück. Ich habe das Geld, meine Frau doch nicht! Er muss lachen.
Ich lache mit und auch Majas Mund formt sich zu einem Lächeln. Wir klettern noch auf das Dach des Gebäudes und schauen auf das Meer hinaus. Eine steife Brise bläst uns entgegen, es ist schwer, sich für ein Foto hübsch zu machen.
Rechtzeitig zum Sonnenuntergang finden wir uns wieder an der Meeresspitze ein. Es haben sich dort bereits viele andere Leute versammelt. Sie drängen zur Ufermauer und schauen auf das Meer hinaus. Es herrscht Jahrmarktatmosphäre. Es gibt ein Karussell und Pferdereiten. Ein paar Mal müssen wir für ein Foto posieren, aber dann wird die Sonne zum Hauptakteur. Wie ein riesiger roter Feuerball versinkt sie im Meer. Die Leute applaudieren und johlen. Sie hat es geschafft. Sie ist untergegangen. Faszinierend.
ॐ
Am nächsten Morgen sind wir früh auf den Beinen. Wir reihen uns in die Schlange vor dem Kassenhäuschen ein und warten, bis wir dran sind. Zwei Tickets! Endlich, wir haben es geschafft. Gleich geht es auf das offene Meer, hinüber zu der Statue und dem kleinen Tempel, der sich auf der Nachbarinsel befindet. Maja ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken sich mit einer indischen Barkasse auf den Ozean zu wagen. Ich necke sie.
»Wer ist denn hier die Segelmeisterin?«
Stolz antwortet sie: »Ich natürlich«, und grinst über beide Ohren.
»Die Fahrt ist nur kurz, das werden wir doch wohl schaffen?«
»Ja, wir schon, aber die Fähre?«, Maja ist wieder zum Spaßen zumute. Die gespannte Stimmung der letzten Wochen scheint gelöst. Maja und ich verstehen uns heute prächtig.
Als wir den Weg hinunter um die Ecke biegen, stockt Maja kurz: »Hui. Die ist aber lang!«
Sie meint damit aber nicht die Barkasse, sondern die nächste Schlange, die mehrfach gewunden in ein Gebäude führt. Von einem Boot ist weit und breit nichts zu sehen. Der Blick durch den Eingang des Gebäudes sorgt bei mir für Ernüchterung. Die Schlange nimmt kein Ende. Aber wenigstens ist man nicht der Sonne ausgesetzt. Hat man es aus der Halle herausgeschafft, so dauert es nicht mehr lange. Eine Barkasse legt an, die Leute steigen aus und werfen orangefarbene Schwimmwesten auf einen Haufen.
»Siehste! Alles sicher.«
»Ja, ja. Hauptsache, die Weste sitzt.« Maja schaut mich an. »Auf jeden Fall besser als deine Frisur.«
»Lass meine Haare aus dem Spiel, die haben es bei dem Wind nicht leicht.« Ich versuche sie platt zu drücken. Es weht ein starker Wind. Das Meer ist unruhig, das Schiff schaukelt extrem. Wasserspritzer treffen meinen Arm, den ich elegant aus dem Fenster baumeln lasse. Die Fahrt ist kurz. Kaum losgefahren legen wir schon wieder an. Wie so oft müssen wir am Fähranleger unsere Schuhe abgeben. Die Steine sind heiß, so machen wir uns schnell hoch in den Tempel. Von der Plattform davor hat man einen schönen Blick. Wir setzen noch hinüber zu der Statue auf der Nachbarinsel. Hier haben wir einen fast ebenso schönen Blick, diesmal nur ohne die Statue zu sehen. Ist ja auch
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