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Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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hatte,
griff Niandee Nasingh nach seinem Arm.
    „Nun
tun Sie doch was“, piepste sie, mehr bekam sie nicht heraus.
    Tun?
Was denn? Da liegt eine tote alte Frau mitten in ihrer eigenen Scheiße. Was
soll ich da tun? dachte
Bloemberg und sagte: „Ich kümmere mich darum. Es ist besser, wenn Sie jetzt
gehen und …“ Eine Gemisch aus warmer Luft und Fäkaliengeruch schwappte einer
Welle gleich an ihnen vorbei. Bloemberg hielt die Luft an und presste sein
Gesicht in den Regenmantel. Niandee krümmte sich unvermittelt vor ihm in
Richtung Boden und verschwand für Sekunden aus seinem Blickfeld. Er glaubte,
sie würgen zu hören, aber er irrte. Im nächsten Augenblick richtete sie sich
wieder auf. Die Übelkeit stand ihr zwar ohne Frage ins Gesicht geschrieben,
aber sie hatte sich erstaunlich gut unter Kontrolle und sah ihn aus tränenden
Augen an.
    „Machen
Sie endlich etwas!“
     
    ***
     
    Die
Szene war eine der unschönsten Erlebnisse, die Bloemberg in seiner bisherigen
Karriere als Polizist erlebt hatte. Dabei war es nicht einmal die Tatsache,
dass auf dem Bett eine Tote lag und die ganze Wohnung um Bloemberg herum stank,
als stünde er inmitten einer Jauchegrube. Nein, solche Sachen hatte er vorher
erlebt. Tot und Verwesung gehörten zu Tatorten wie Maden und Schmeißfliegen. In
diesem Fall war es irgendetwas anderes. Bloemberg beschlich ein
unterschwelliges Gefühl, dass hier irgendetwas nicht so war, wie es hätte sein
müssen. Natürlich hatte sein Gehirn seit dem Betreten von Karim Abusifs
Appartement mit der Analyse der Fakten begonnen, die es in der kurzen Zeit
hatte aufschnappen können. Auf den ersten Blick bestand das, was Karim bis vor Kurzem sein Zuhause genannt hatte, aus drei Zimmern und
einem engen Flur, in dem auch eine schäbige, verdreckte Küchenzeile ihren Platz
gefunden hatte. Abgesehen davon gab es nur noch ein winziges Badezimmer, an dem
Bloemberg vorbeigekommen war und zwei Schlafräume. Die Möblierung war
Jahrzehnte alt und längst verwohnt. Karims Schlafgemach lag hinter der
verschlossenen Tür, die sich derzeit hinter Bloembergs Rücken befand. Dies hier
war das zweite Schlafzimmer, karg eingerichtet mit einem
Sperrholzkleiderschrank und einer billigen Stehlampe neben einem notdürftig aus
Spanplatten zusammengeschustertem Bett. Die Frau auf dem Bett hieß, sofern
Bloemberg Niandee richtig verstanden hatte, Aiche. Er tippte darauf, dass sie
Karims Mutter oder Großmutter war oder irgendeine andere nähere Verwandte, die
Karim Abusif in seiner Wohnung gepflegt hatte. Hadosh hatte etwas in der
Richtung erwähnt.
    Bloemberg
machte widerwillig einen Schritt auf das Bett zu, um sich ein besseres Bild
machen zu können. Mit dem nächsten Schritt stand er genau am Fußende. Der
Geruch biss ihm in die Nase und reizte seinen Gaumen, obwohl er Nase und Mund
tief in unter seinem Mantel vergraben hatte. Es war mühsam, den Würgereflex zu
unterdrücken, aber es war nicht das erste Mal. Neben dem Bett stand eine bis an
den Rand gefüllte Bettpfanne, in ihr lag eine geöffnete Wasserflasche.
    Die
Frau musste bettlägerig gewesen sein, vielleicht geistig verwirrt.
    Bloemberg
wollte gar nicht wissen, was die leere Flasche zwischen den Exkrementen
verloren hatte. Sein Blick schweifte weiter über das Bett. Aiche lag
zusammengekrümmt auf der Seite, die Augen geschlossen, den Mund leicht
geöffnet. Die Hose war halb abgestreift worden. Keines der leichten Sommerlaken
hatte seine ursprünglich weiße Farbe behalten.
    Bedauernswerte
alte Frau .
    Bloemberg
erkannte einen Haufen Fliegen, die den Weg in ihr ganz persönliches
Schlaraffenland gefunden hatten. Sie hatten keine Notiz von ihm genommen,
weshalb nur hin und wieder eine brummend von einer Futterstelle zur nächsten
abhob.
    Trotzdem,
und da wurde sich Bloemberg mit jeder Sekunde sicherer, stimmte an diesem Bild
der Toten etwas nicht. Der Inspektor beugte sich einige
Zentimeter nach vorn und vermutlich hätte er Sekunden später gewusst,
was hier nicht passte und ihm wäre das Fehlen der Maden aufgefallen. Jenen
Maden, die sich zuallererst auf sich zersetzenden Körpern ausbreiteten vor
allem in Mund Nase, Augen und den Körperbereichen, an denen die Haut nur sehr
dünn war. Denn Fakt war, es gab keine Maden, was entweder darauf hindeutete,
dass die Frau erst vor wenigen Stunden gestorben war oder...
    Doch
ehe Bloemberg sich all diese Gedanken machen konnte, bevor er auch nur
annähernd daran erinnert wurde, was ihm bei zahlreichen Seminaren mit

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