Sonne, Schnee und Tote
währenddessen beiseite. Sein Blick haftete für
Sekunden auf der Aufnahme als wolle er sichergehen, dass alles, was er vorhatte
zu erzählen, wiedererkannt werden konnte. Schließlich hielt er das Foto vor
sich, sodass Bloemberg und Maartens es gut sehen konnten.
„Wie
Sie sehen, meine Herren, ist der Körper des Mordopfers bis zu einem Grad der
Unkenntlichkeit verbrannt, dass wir erst einen Abgleich von Zellen durchführen
mussten. Das haben wir getan, um sicherzugehen, dass kein Austausch der Leiche
stattgefunden hat und dass es sich hierbei tatsächlich um den verstorbenen
Namir Hadosh handelt. Der Abgleich war erfolgreich. Das ist bei Weitem die
beste Nachricht, die ich Ihnen übermitteln kann. Zwar brachte die Feuerwehr den
Brand schnell unter Kontrolle, leider wurden dennoch viele wichtige Indizien
vernichtet. Immerhin war es uns möglich, durch die vor dem Brand entnommenen
Proben den Zeitpunkt und mit relativer Sicherheit den Grund des Todes zu
bestimmen. Er unterbrach sich mit einem halb unterdrückten Niesen und deutete
danach auf die deutlich sichtbaren Verletzungen, die die Nägel überall auf dem
Karims Körper hinterlassen hatten.
„Wie
Sie sehen können“, sagte er, „wurden dem Opfer zahlreiche Verletzungen anhand
von zentimeterlangen, chromummantelten Nägeln beigebracht. Unsere
Untersuchungen haben herausgestellt, dass keine davon für sich genommen tödlich
gewesen ist …“
„Wie
wäre es, wenn Sie uns was Neues erzählen, Doc. Das ist ein alter Hut, das
wissen wir schon“, nörgelte Fred und ignorierte gekonnt den bösen Blick des
Hauptkommissars. Houlsten ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen. Mit
dem Satz „Nicht einmal der Schuss in den Kopf hat das Nervensystem in extremer
Weise beschädigt“, setzte er seinen Vortrag fort, als habe er Maartens Einwand
gar nicht gehört. Neben Kees schüttelte der Commissaris nur den Kopf und
beschäftigte sich anschließend mit dem Reinigen seiner Fingernägel. Dabei war
die Information, die der Mann von der Gerichtsmedizin gerade – im monotonen
Singsang seiner Stimme, in sachlich gelangweiltem Stil - erwähnt hatte, überaus
wichtig. Bloemberg war nach der Begutachtung der Leiche fest davon ausgegangen,
dass es sich bei dem Nagel im Kopf um den tödlichen Schuss gehandelt hatte.
„Sie
meinen, keiner der vierzig Nägel hat zum Ableben von Karim Abusif geführt?“
„Das
ist so nicht ganz korrekt. Es ist etwas komplizierter. Ich werde es Ihnen
gleich näher erklären. Nach dem Stand der bisherigen Untersuchungen wurde durch
die Nägel kein Organ lebensentscheidend verletzt. Dagegen besteht allerdings
eine gewisse Möglichkeit, dass durch den Blutverlust letztendlich der Tod eingetreten
ist. Im Augenblick deuten einige Dinge daraufhin, dass dem so ist, aber es gibt
noch eine andere interessante Komponente dabei ...“
„Und
weshalb sind Sie sich da so sicher?“, fragte Fred Maartens, ohne dabei von
seinen Fingern aufzuschauen. „Ich denke, vierzig Nägel bergen gewiss ein
gewaltiges Potenzial, um daran zu verbluten, aber einer derart hohen Zahl an
Einschüssen wird wohl eine tödliche dabei gewesen sein.“
„Da
stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu, Commissaris, nur würden wir eine solche
Behauptung nicht aufstellen, wenn wir uns nicht sicher wären. Haben Sie schon
einmal etwas von Largo Sufrimiento gehört?“
„Sorry,
Doc, aber ich gehe grundsätzlich nicht spanisch Essen“, spöttelte Maartens.
Van
Houden, und der Mann von der Spurensicherung antworteten lediglich mit
Kopfschütteln und auch Bloemberg zögerte nur kurz, bevor er verneinte. Er war
sicher, irgendwann davon gehört zu haben, aber ihm fiel partout nicht ein, um
was es sich dabei handelte. Also hob Doktor Houlsten, nach einem flüchtigen Blick
auf seine Armbanduhr, einem silbernen Chronometer mit Schweizer Uhrwerk, zu
einer etwas längeren Erklärung an.
„ Largo
Sufrimiento ist mitnichten ein Gericht der spanischen Küche, Commissaris
Maartens. Vielmehr handelt es sich hierbei um den modernisierten Begriff für
eine Foltermethode, die während der Institutionalisierung der Inquisition im
Spanien des 15. Jahrhunderts, als Instrument des peinlichen Verhörs gegen
Häretiker und Andersgläubige entstanden ist. Kern dieser Foltermethode ist es,
wie bei so ziemlich jeder Folter, dem Opfer starke bis unerträgliche Schmerzen
zuzufügen. Der Idee des Largo Sufrimiento liegt dabei die Kreuzigung
Jesu zugrunde. Das proklamierte zumindest die katholische Kirche
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