Sonne über Wahi-Koura
Kopf zur Seite. Sarah und Adelaide, die ihr beim Auskleiden geholfen hatten, stapelten unter der strengen Aufsicht von Louise Tücher auf der Kommode. Als sie fertig waren, blieb Helena mit ihrer Schwiegermutter allein.
Louises Gesicht war eine undurchdringliche Maske. »Sie waren im Weinberg, obwohl ich es Ihnen verboten hatte.«
Helena schloss die Augen. Das ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt, um mir Vorwürfe zu machen, dachte sie bitter. »Ja, ich war dort«, brachte sie mühsam hervor und wappnete sich gegen die nächste Wehe. »Ich dachte, etwas frische Luft würde mir ...«
Die nächste Wehe überwältigte sie. Wimmernd krallte Helena die Hände in das Bettlaken, das sie bedeckte.
»Sie haben damit das Leben des Kindes aufs Spiel gesetzt«, fügte Louise ungerührt hinzu. »Wenn das Kind erst einmal da ist, werden Sie sich an meine Anordnungen halten. Der Erbe von Wahi-Koura darf nicht gefährdet werden.«
Helena antwortete nicht, denn das Einzige, was sie noch wahrnahm, war ein unerträglicher Schmerz, der sie zu spalten schien. Sie war einer Ohnmacht nahe, als die Wehe verebbte. Tut das immer so weh?, fragte sie sich ängstlich. Oder stimmt vielleicht etwas nicht mit mir?
Hufschlag auf dem Hof lenkte Helena ab. Stimmen ertönten, Schritte eilten durch den Gang. Wenig später stürmte Dr. Fraser zur Tür herein. Ohne Umschweife stellte er seine Tasche auf den Stuhl neben dem Bett, zog den Gehrock aus und krempelte sich die Ärmel hoch.
»Guten Tag, Mistress de Villiers, wie geht es Ihnen?«
Die gütige Miene des Arztes beruhigte Helena ein wenig.
»Den Umständen entsprechend, Doktor«, flüsterte sie matt. »Wie lange wird es noch dauern?«
»Schwer zu sagen. Einige Frauen brauchen mehr Zeit, andere weniger. Wenn Sie erlauben, würde ich Sie jetzt gern untersuchen. Danach weiß ich mehr.« Er wandte sich an Louise. »Ich möchte Sie jetzt bitten, den Raum zu verlassen.«
»Natürlich. Die Dienstmädchen stehen draußen zu Ihrer Verfügung bereit.«
Als Louise gegangen war, rieb Fraser sich die Hände mit einer beißend riechenden Flüssigkeit ein. Dann hob er das Laken an.
Peinlich berührt schloss Helena die Augen. Sie wünschte, jemand hätte sie auf all das vorbereitet.
»Der Muttermund ist bereits ziemlich weit offen«, erklärte der Arzt. »Ich werde noch die Herztöne Ihres Kindes überprüfen.«
Helena nickte tapfer.
Fraser zog ein langes Hörrohr hervor und drückte es behutsam auf ihren Bauch.
»Die Herztöne sind stark«, bemerkte Fraser, während er lauschte. »Alles in allem nehme ich an, dass es jetzt schnell gehen wird und Sie es bald hinter sich haben.«
Erleichtert atmete Helena auf. Schon bald halte ich Laurents Kind in den Armen, dachte sie glücklich.
Traube um Traube füllte die Bütte. Mit routinierten Handbewegungen schnitt Zane Newman sie, begutachtete die Beeren und sortierte verfaulte und schrumpelige aus. Auf dem Hof wurde die Ernte noch einmal ausgelesen, aber er hielt seine Leute an, gleich beim Schneiden eine Vorauswahl zu treffen.
»Sir, hören Sie mir zu?«
Newman blickte erschrocken auf.
Yves Leduc war neben ihm aufgetaucht.
»Oh, entschuldigen Sie. Was gibt es denn?«
»Wir können mit dem Pressen beginnen. Ich dachte mir, dass Sie bei der ersten Ladung dabei sein wollen.«
»Natürlich.«
Newman steckte sein Winzermesser ein und folgte dem Arbeiter zum Schuppen. Der Duft von Weinlaub und Traubensaft hing in der Luft. Im Hof lauschte er unwillkürlich zum Haus hinüber. Nichts.
Ob das Kind schon da ist?
Nicht zum ersten Mal ertappte der Kellermeister sich dabei, dass seine Gedanken zu Helena wanderten. Die Sorge um sie brannte regelrecht in ihm. Lieber Gott, lass sie alles gut überstehen!, flehte er insgeheim, bevor er seine Befürchtungen verdrängte und den Kelterschuppen betrat.
Unruhig lief Louise im Gang auf und ab. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Hin und wieder warf sie einen Blick aus dem Fenster. Wieder fuhr ein Wagen voller Trauben vor. Eigentlich müsste sie draußen bei ihren Leuten sein, doch das brachte sie nicht über sich. Papa und Rangi, bitte macht, dass die Geburt glücklich ausgeht!, flehte sie, während sie die glühende Stirn gegen die Scheibe presste.
Hinter der Tür vernahm sie die Stimme von Dr. Fraser, gefolgt von einem Schrei.
Ein Schauer überlief Louise, als sie an die Geburt von Laurent dachte. Sie hatte nicht lange in den Wehen gelegen, aber die Schmerzen waren unerträglich gewesen. Die Geburt hatte sie an
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