Sonne, Wind und Mord (German Edition)
seine Hände zusammengelegt und balancierte Kinn und
Doppelkinn auf der Fläche seiner Handrücken. Er war vollkommen in Gedanken
vertieft und aus seinem fleischigen Gesicht sprach Unbehagen. Der Hörer seines
Telefons lag noch immer neben der Gabel, genau dort, wo er ihn nach dem
abrupten Ende des letzten Gespräches hatte fallen lassen. Die rote LED auf dem
Telefon blinkte unentwegt und zeigte nun schon seit einer Minute an, dass
jemand versuchte, ihn zu erreichen. Van Houden bemerkte es nicht. Zu sehr
beschäftigte ihn der vorangegangene Dialog. Es war vernichtend. Nie hätte er es
für möglich gehalten, immerhin war er Hauptkommissar der Rotterdamer Polizei,
ein hochrangiger Beamter des Staates, eine Autoritätsperson. Er war ein
angesehener…
„Entschuldigen Sie, Hoofdcommissaris, da ist
noch eindringender Anruf für Sie. Ich habe versucht durchzustellen, aber Ihr…
Hoofdcommissaris? Entschuldigung? Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Nicolas?“
Van Houden, plötzlich aus düsteren Gedanken
gerissen, sah verwirrt zur Bürotür. Helene, die Telefonistin, stand dort. Eine
bezaubernde junge Frau, die erst vor wenigen Monaten hier angefangen hatte. Der
Hauptkommissar konnte nicht leugnen, dass er sie sehr sympathisch fand, zumal
sie mit ihren glatten blonden Haaren, der schlanken wohlgeformten Linie ihres
Körpers und den blauen Augen mehr als nur attraktiv war. Als sie jedoch jetzt
dort stand, empfand Van Houden das als wirkliches Ärgernis. Sah sie denn nicht,
dass er gerade nachdenken musste? Und wie oft hatte er ihr in den letzten
Wochen immer wieder sagen müssen, sie solle gefälligst anklopfen ehe sie in ein
Büro eintrat. Helene sah ihn mit ihren großen treuen blauen Augen an und war
sich keiner Schuld bewusst. Auch das war eine Eigenart von ihr. Manchmal wusste
sie einfach nicht recht wie sie die Situation einschätzen sollte Er konnte ihr
jedoch kaum böse sein, denn schließlich war es ihre Aufgabe, dafür zu sorgen,
dass die Anrufe dort ankamen, wo sie hingehörten. Er schaute kurz hinab auf das
Telefon und bemerkte das rot leuchtende Lämpchen.
„Himmel noch mal! Was ist denn heute für ein
beschissener Tag, Helene? Wer ist es diesmal?“, fragte der Hauptkommissar
genervt und klang dabei noch aggressiver, als er eigentlich vorgehabt hatte.
Helene stand einen Moment dort im Türrahmen
und schien zu schockiert, den Mund aufzumachen.
„Helene, wer ruft mich da gerade an?“,
versuchte es Van Houden noch einmal ruhiger, aber seine Anspannung blieb.
Helene bewegte die Lippen, einzig es kam kein Ton heraus.
„Himmel! Helene? Wer ruft da für mich an?“,
wiederholte Van Houden die Frage, nun äußerst verärgert. War die Frau denn
völlig blöd?
Die pochende Ader an der Schläfe zeigte Helene
deutlich, dass sie gut damit beraten war, schnell eine Antwort zu geben, wollte
sie den Blutdruck ihres Vorgesetzten nicht noch weiter in die Höhe treiben. Sie
schluckte den Kloß im Hals so gut es ging hinunter und zwang sich zu antworten.
„E-E-Entschuldigung, Hoofdcommissaris. Es ist,
es … Inspecteur Bloemberg möchte Sie dringend sprechen.“
Auch das noch!
„Das… das Gespräch liegt auf Ihrer Leitung.
Entschuldigen Sie mich“, stammelte sie, dann drehte sich die junge Telefonistin
auf dem Absatz um und verschwand in Windeseile. Van Houden meinte gesehen zu
haben wie ihr die Tränen in die Augen getreten waren, aber das war jetzt nicht
sein Problem. Bloemberg wartete auf Leitung zwei. Hastig griff er nach dem
Hörer und drückte die entsprechende Taste auf dem Telefon.
***
12:13 Rudjards Wagen
„Was soll das heißen. Wir können nicht zurück
auf die Politistation kommen?“, fragte Bloemberg empört.
„Ja ich weiß, dass wir beschossen worden sind,
verdammt! Das habe ich Ihnen gerade erzählt! Genau deshalb brauchen wir jetzt
einen Ort, an den wir sicher sind!“ … „Und warum nicht?“ … „Gefahr innerhalb
der Polizei?“ … „Ein Maulwurf?“ … „Hören Sie, Hoofdcommissaris, die Lage ist
tierisch ernst. Wir wären da beinahe erschossen worden. Ein Mann der Havenwacht
ist tot. Wir haben eine traumatisierte Wissenschaftlerin dabei. Wir müssen
zurück aufs Revier. Wer weiß, ob man uns verfolgt!“ … „God verdomme! Nicolas,
das weiß ich!“ … „Ich soll ihn in Sicherheit bringen? Und die Frau?“ …
„Hoofdcommissaris, ich weiß, dass er Ihr Neffe ist. Ich kann nicht für die
Sicherheit der beiden sorgen. Wir müssen zurück aufs Revier! Ich bin
Weitere Kostenlose Bücher