Sonne, Wind und Mord (German Edition)
beantworten. Die wagen Gesten und die unsichere Stimme ließen
jedoch darauf schließen, dass die Wissenschaftlerin sich nicht sicher war.
„Nun, wenn man die letzten Wochen betrachtet
und anhand des Vorwissens, das ich habe, gibt es eigentlich nur eine logische
Erklärung.“
Sie räusperte sich.
„Das Projekt war absolut geheim. Von der
Gruppe drangen keine Informationen nach außen, selbst im ECN war unsere
Forschungsarbeit weitgehend unbekannt. Wir weihten nur die ein, denen wir
vertrauten, denn auch das stand in dem Vertrag, den wir mit dem Auftraggeber
dieser Forschungsreihe abgeschlossen hatten. Die Ergebnisse sollten unter
Verschluss bleiben, bis zum siebzehnten Januar, dann sollten sie - gegen eine
Bonuszahlung - persönlich übergeben werden und zwar in Rotterdam.“
Automatisch wanderte Kees‘ Blick in Richtung
seiner Armbanduhr, ein gewöhnliches Modell mit zweigeteiltem Display, oben eine
Digitalanzeige für die Uhrzeit und unten eine Anzeige für das Datum. Heute war
der Siebzehnte.
„Also hat die Übergabe heute stattgefunden?“,
fragte der Inspektor nachdenklich und kratzte sich dabei am Hinterkopf.
„Ja, das stimmt… nein, sie hätte“, gab sie zu.
In der ganzen Aufregung war ihr das Datum völlig abhandengekommen.
„Und das ausgerechnet in Rotterdam, an dem
Tag, an dem dort die globale Umweltkonferenz beginnt. Mit Vertretern aus aller
Herren Länder, die ihre Klimaexperten im Schlepptau haben?“
„Ja… aber … aber wir haben da keinen direkten
Bezug gesehen.“
„Keinen direkten Bezug? Diese… diese
Entdeckung, die Ihr da gemacht habt… glaubst du nicht, dass die vielleicht
Aufsehen erregend wäre auf einer solchen Konferenz?“
Linda schwieg. Er hatte sie gerade wie
selbstverständlich zum ersten Mal geduzt. An einem anderen Tag, in einer
anderen Situation, wäre ihr das sicher unhöflich vorgekommen, jetzt jedoch
empfand sie diese plötzliche Vertrautheit als recht angenehm. Und Bloemberg
setzte noch eine Frage hintenan.
„Glaubst du nicht, dass jeder dieser Politiker
scharf darauf sein könnte, derjenige zu sein, der etwas so… etwas so Wichtiges
präsentiert. Ich meine, ich kenne nicht das ganze Projekt, aber ich bin nicht
ganz von vorgestern und wenn das, was du mir eben erzählt hast, nur im
Entferntesten stimmt, könnte das doch eine große Geschichte werden, mit der
sich jeder gerne rühmen würde oder sehe ich das falsch?“
Der Inspektor fixierte Linda und erwartete
eigentlich nichts weiter als ein zustimmendes Nicken, stattdessen geschah etwas
völlig anderes.
Zunächst starrte die Wissenschaftlerin
lediglich zurück und ließ sich Bloembergs Worte durch den Kopf gehen. Doch
plötzlich schlug sie ganz aufgeregt beide Hände vor dem Mund zusammen, als
wolle sie verhindern, dass sie die Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen,
laut herausbrüllte. Kees‘ Mutmaßung hatte in ihrem Inneren einen Stein ins
Rollen gebracht, der eine Lawine auslöste. Diese Lawine riss eine Mauer ein und
plötzlich sah Linda die Dinge in einem ganz anderen Licht.
Von den vergangenen Ereignissen überrascht,
hatte sie kaum einen klaren Gedanken fassen können. Sie hatte gemutmaßt, dass
alles im Zusammenhang mit ihren Forschungen stand, aber plötzlich schien alles
- wie bei einem komplizierten Puzzle - zusammenzupassen. Die weniger werdenden
Anrufe des Auftraggebers in den letzten Wochen, die dubiosen Mails von
Wirtschaftsjournalisten, der Drohbrief, der vorige Woche bei ihnen eingegangen
war, Edgars Verschwiegenheit. Alles lief auf eines hinaus. Das war alles purer
Ernst gewesen. Keine Kindereien, wie Edgar immer betont hatte. Er musste
gewusst haben, dass jemand hinter ihrer Erfindung her war. Er hatte Angst
gehabt und doch hat er es niemandem erzählt.
Er hat es die ganze Zeit
gewusst und jetzt ist er tot…
„Die haben ihn umgebracht, um zu verhindern,
dass wir unsere Ergebnisse abliefern“, hauchte sie und klang dabei klein und
schwach.
Kees Bloemberg verstand nur Bahnhof.
„Wer hat ihn umgebracht? Um was zu
verhindern?“
Linda Farbers Blick ging ins Leere. Seelisch
war sie in diesem Augenblick vollkommen fertig. Ohne es verbergen zu können,
stand sie kurz vor einem Zusammenbruch. Dass Leute überhaupt so etwas
anstellten, nur wegen ein paar Forschungsergebnissen, konnte sie nicht
verstehen. Zugegeben, es ging um viel Geld. Es ging um sehr viel Geld, wenn man
das neue System in großer Zahl einsetzte, ging es um mehrere Milliarden Euro,
aber dafür jemanden
Weitere Kostenlose Bücher