Sonne, Wind und Mord (German Edition)
umzubringen? Das war doch krank. Van Kessner war tot,
ermordet. Sie war die Einzige, die die Forschungsergebnisse in ihrem ganzen
Umfang kannte. Wenn sie ihn getötet hatten, würden sie nicht ruhen, bis auch
ihr Körper tot irgendwo auf der Straße lag. Blieb nur noch die Frage, wer
hinter all dem steckte, aber auch hier hatte Kees ihr ungewollt die Augen
geöffnet. Ausgerechnet an diesem 17. Januar begann in Rotterdam eine
Klimakonferenz, die in den Medien als möglicher Wendepunkt in der Geschichte
gehandelt wurde. Die Erfindung taugte zu einem prestigeträchtigen Gegenstand
beim Kampf gegen den Klimawandel.
Prestige, Erfolg, Ansehen, Ruhm, solche Lorbeeren
zogen vor allem Menschen an, die Linda allzu gut kannte.
Die Erkenntnis war im ersten Augenblick nur
ein Schock, im zweiten jedoch ein richtiger Schlag in die Magengrube. Ihre
eigenen Leute hatten es auf sie abgesehen.
Gott weiß, wie sie davon
erfahren haben. Verdammte Mistkerle!
Linda Farber wurde speiübel. Ein heftiges
Gefühl des Abscheus schlug ihr auf den Magen. Ihre eigenen Leute, ihr eigenes
Institut, ihre Kollegen, ihr langjähriger Arbeitgeber, eine feige Mörderbande,
eine…
„Halten Sie an, Surveillant!“, keuchte sie,
noch während ihr schwarz vor Augen wurde und sich um sie herum alles zu drehen
begann, aber da war es schon zu spät.
Der Gestank von Erbrochenem waberte durch das
Wageninnere. Rudjard hatte trotz starken Regens das Fenster herunter gekurbelt.
Es half nichts. Linda Farber saß käseweiß auf der Rückbank, in ihren Augen
fehlte jeder interpretierbare Ausdruck. Bloemberg fühlte sich hilflos. Zwar
hatte er der Wissenschaftlerin sofort ein Taschentuch gereicht und danach noch
eines, aber er hatte dabei kein Wort gesagt.
In diesem Moment das Richtige zu sagen, fiel
unter den Bereich Sensibilität und darin war Kees Bloemberg nie besonders gut
gewesen. Er war ja schließlich kein Seelenklempner oder irgendwas in die
Richtung.
Der Inspektor blieb, bis auf ein zögerlich
hervorgebrachtes, „Alles in Ordnung mit dir… Linda?“, stumm und auch der
Surveillant konnte nicht viel sagen. Er musste sich beherrschen, um nicht - vom
Geruch gereizt - über das Lenkrad zu kotzen.
Dass Linda sich so unerwartet schnell wieder
fing, blieb Kees unerklärlich. Schon drei Minuten, nachdem sie den Inhalt ihres
Magens im Fußraum verteilt hatte, räusperte sie sich und begann sich zu
erklären, während sie sich mit Bloembergs Taschentuch den Mund abtupfte.
„Entschuldigung. Sie können das vielleicht
nicht verstehen. Sie kennen nicht die ganze Geschichte. Sie wissen nicht, was
alles vorgefallen ist. Aber in den letzten Wochen haben sich einige Dinge
ereignet, die wir vielleicht eher hätten beachten müssen. Dinge, die Edgar und
ich ernster hätten nehmen müssen, aber wir taten es nicht. Wir dachten, das
alles sei ein schlechter Scherz. Wir hätten nie gedacht, dass es derart schlimm
werden kann. Aber wir haben uns geirrt. Und er ist tot und jetzt stehen wir
hier. Edgar wurde ermordet und als Nächstes wollen sie mich. Diese…diese… diese
Mörder!“
Ihre Stimme klang schrill und ihr Blick wurde
so giftig, dass der Inspektor, der sie immer noch besorgt ansah, innerlich
zurück zuckte.
„Die haben ihn getötet, weil er ihnen nichts
sagen wollte! Die haben ihn getötet, weil er seine Forschungsergebnisse
schützen wollte! Die haben … die haben ihn einfach getötet, weil ihnen
Forschung und Profit wichtiger sind als der Mensch.“
„Entschuldige… Linda… aber wer? Wer hat ihn
umgebracht?“, Kees versuchte, einen vertrauensvollen und ruhigen Ton
aufzulegen. Linda starrte ihn an, als läge die Antwort dieser Frage auf der
Hand. Er konnte deutlich erkennen, wie ihr die Tränen rechts und links die
Wangen hinab liefen.
„Peters… Doktor Heinrich Werner Peters und
sein… sein hinterhältiges Institut für biotechnisch-mechanische Prozesse und
erneuerbare Energien, wer sonst?!“, kam es scharf über ihre bebenden Lippen,
ehe sie die Hände vors Gesicht schlug und bitterlich zu weinen begann. In ihr
brach das Bild einer Welt zusammen. Einer Welt voller Ideale, einer Welt der
forschenden Kooperation eines einigen Europas, einer Welt, die gemeinsam daran
arbeitete die Probleme dieser Welt zu lösen. Lügen, hinter denen sich nichts
als Egoismus, Habgier und die Sucht nach dem eigenen Erfolg verbarg.
***
14:27 Rotterdam,
Hilton-Hotel
Doktor Heinrich Werner Peters war eigentlich
gar kein richtiger Doktor. Seinen
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