Sonne, Wind und Mord (German Edition)
noch bei sich getragen zu haben,
als er ins Hotelzimmer kam, dann hatte er Dennis entdeckt und sofort
telefonisch Hilfe gerufen. Dabei musste er sie unachtsam auf die Seite gestellt
haben. Schnell ging er hinüber zum Eingangsbereich und die Erkenntnis, dass die
Tasche nirgends zu sehen war, trieb den Puls des Politikers sofort wieder nach
oben. Nervosität und eine unterschwellige Angst schlichen sich in sein Gemüt.
Zuerst wollte er nicht recht glauben, dass die Tasche nicht da war, schließlich
hatte er sie ganz sicher irgendwo hier abgestellt, aber nachdem er sich
mehrmals umgesehen hatte und sie noch immer nicht aufgetaucht war, wurde seine
Angst größer. Alles, was er im Eingangsbereich fand, war die Tasche seines
Sekretärs, die die Rettungssanitäter unter dem Kleiderständer deponiert hatten,
damit sie nicht im Weg herumstand. Greenly griff danach. Sie war leicht, zu
leicht. Die Erkenntnis traf ihn schwer. Er hatte den Reißverschluss nicht
einmal öffnen müssen, um zu wissen, dass Dennis‘ Netbook verschwunden war.
Alles, was sich noch in der Tasche befand, war ein weißes Blatt Papier,
schweres Papier. Greenly mochte gar nicht wissen, was darauf geschrieben stand,
trotzdem griff er danach und seine schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt.
Wie wirst du wohl deine
Eröffnungsrede halten, Greenly, ganz ohne Notizen, ohne Informationen, ohne
Daten, ohne Sekretär? Ich bin gespannt, was du als Nächstes tust. Keine Angst,
dein Laptop ist bei mir in guten Hände, du wirst dir noch wünschen, du hättest
eher auf mich gehört!
- der Bewunderer.
Der Unbekannte hatte seine Drohung wahr
gemacht. Er hatte Greenly alle Dokumente und Unterlagen genommen. Alles, was
wichtig war für seine Eröffnungsrede. Er hatte Greenlys Daten auch nicht
irgendwann gestohlen - nein, es war während Greenlys Anwesenheit passiert,
sowie der Anwesenheit von Polizei und Rettungssanitätern. Das hieß, dass
Greenly sich mit ihm in einem Zimmer befunden hatte, vielleicht hatte er sogar
kurz mit ihm ein Wort gewechselt. Die Dreistigkeit stieß dem Politiker übel auf
und er fuhr sich ein ums andere Mal durch das grau melierte Haar.
Der einzige Trost war, dass irgendjemand mit
einem Zugang zu Sicherheitssektion A der Täter sein musste, leider schloss das
mehrere tausend Menschen ein und Greenly wusste mittlerweile wirklich nicht
mehr, wen er verdächtigen sollte. Vom einfachen Polizisten bis zu Jonathan P.
Smith und Heinrich Werner Peters, von der einfachen Hotelreinigungskraft
bis zum Notarzt, der seinen Sekretär behandelt hatte, kamen alle in Frage.
Greenly ließ sich auf den beheizten Marmorfußboden sinken, noch immer trug er
die nassen Sachen, aber was spielte das für eine Rolle? Man hatte ihm soeben
den Boden unter den Füßen weggezogen. Ohne Unterlagen, ohne Vorbereitung und
vor allem ohne das Ass im Ärmel, das er hatte ausspielen wollen, war diese
ganze Geschichte sinnlos. Er musste zugeben, dass irgendwer schlauer gewesen
war. Jemand hatte es auf ihn abgesehen gehabt und letzten Endes würde er, so
wie es mittlerweile aussah, damit Erfolg haben.
Die Frage blieb, warum? Aber darauf wusste
Greenly in diesem Moment wirklich keine Antwort, zu schwer wog die Erkenntnis,
dass er verloren hatte, verloren gegen einen Gegner, der für ihn absolut
unsichtbar geblieben war und der sich ihm nur in albernen Notizzetteln
offenbart hatte.
Michael Greenly schüttelte den Kopf. So leicht
würde er sich nicht unterkriegen lassen. Mühsam erhob er sich und fasste neuen
Mut. Er würde eine heiße Dusche nehmen, sich fertig machen und dann würde er
seine Eröffnungsansprache halten.
„Ich kann auch ohne Notizen reden, das wäre
doch gelacht! Und meine Sachen hole ich mir später wieder! Die Konferenz dauert
fast eine Woche! Bis dahin werde ich alles zurechtgebogen haben“, sagte er laut
und die Entschlossenheit kehrte in seine Stimme zurück.
Wütend schleuderte Greenly den klatschnassen
Mantel beiseite. Die ersten Runden hatte er verloren, aber der Kampf war noch
nicht entschieden, auch wenn er mit zusammengebundenen Händen gegen einen
Unsichtbaren kämpfte.
***
16:50 Veere, Winterhafen
Linda Farber kämpfte noch immer heftig gegen
die abstoßenden Finger des Mannes, der sie, gegen ihren Willen, zurück auf das
muffige Bett gezerrt hatte. Zwischenzeitlich hatte er sie mit dem Messer
bedroht und ihre Fesseln durchschnitten, nur um sie anschließend aufs Neue, mit
über dem Kopf gekreuzten Armen ans Bett zu
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