Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
Hauptmann Neves.
»Du und ich gegen den Rest der Welt«, sagte Loc.
»Egal welche Welt«, sagte Hauptmann Neves und spürte, wie sich der Puls ihres Geliebten verlangsamte und das Zittern aufhörte. Sie hörte ihm zu, als er ihr erzählte, wie schön es wäre, wenn sie zur Erde zurückkehren und dort in Saus und Braus leben könnten, weit weg von ihren Verbrechen.
Zwei Tage später befanden sich Loc Ifrahim und Hauptmann Neves auf einem Schiff, das vom Saturnsystem in Richtung Neptun unterwegs war. Es war eine lange Reise. Neptun war dreimal so weit von der Sonne entfernt wie Saturn, und die beiden Planeten lagen ungefähr vierzig Grad auseinander, Saturn bei halb acht und Neptun bei sechs Uhr. Sie waren über vier Milliarden Kilometer voneinander entfernt. Obwohl Loc über einen engstrahligen Laser verschlüsselte Nachrichten an sein Büro schicken konnte, wuchs seine Anspannung, als die Zeitverzögerung von Sekunden und Minuten in Stunden überging. Er machte sich Sorgen, dass Euclides Peixoto sich in seiner Abwesenheit in
die Angelegenheiten seines Büros einmischte oder, schlimmer noch, seine Akten forensisch überprüfen ließ. Es war auch nicht von Vorteil, dass die Verhandlungsführerin der Familie Peixoto, Sara St. Estabal Póvoas, die Leiterin der diplomatischen Gesandtschaft in Rainbow Bridge, Kallisto, gewesen war, wo Loc damals in ein Komplott verstrickt gewesen war, das ihn beinahe den Kopf gekostet hätte. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie ihn und Hauptmann Neves für überflüssig hielt. Außerdem teilte sie ihm mit, dass sie seine Teilnahme an den Beratungsgesprächen und Schulungen zwar nicht verhindern könne, er allerdings nie vergessen solle, dass er lediglich ein Beobachter war und seine Einmischung nicht erwünscht sei.
Loc war das egal. Er wusste, dass alle wichtigen Dinge ohnehin hinter seinem Rücken diskutiert und entschieden wurden, und abgesehen davon war er während der gesamten Reise kaum in der Verfassung, irgendeinen bedeutenden Beitrag zu leisten. Trotz Hauptmann Neves’ Hilfe war es kein Zuckerschlecken, von dem Pandorph herunterzukommen.
Es traten zwar keine körperlichen Entzugserscheinungen auf, doch psychisch gesehen war es, als sänke man auf den Meeresgrund. Sein Verstand wurde träge und gleichgültig. Seine Gedanken wanderten unter enormem Druck durch lichtlose Tiefen. Alles um ihn herum war blass und bedeutungslos. Er schlief die meiste Zeit und aß nur dann, wenn Hauptmann Neves ihn dazu zwang. Wenn es auf dem Schiff Pandorph gegeben hätte, hätte er getobt und danach verlangt, doch sie hatte die Vorräte gefunden, die er hatte an Bord schmuggeln wollen, und sie weggeworfen. Er hatte sie beschimpft und sie beschuldigt, ein herzloses Biest zu sein, das ihn verletzen und demütigen wollte, und vieles mehr. Sie hatte ihn schimpfen lassen, bis sich seine Wut in Zerknirschung, Selbstekel und Scham verwandelt hatte
und er sie um Verzeihung angefleht hatte. Er hatte ihr gesagt, dass er wisse, dass sie das alles nur zu seinem Besten tue, dass sie stark und er schwach sei.
Loc hatte ihr all seine schweren Sünden gestanden, seine Diebstähle, Verrätereien und Morde. Wie er den Tod von Emmanuel Vargo geplant hatte, der das Biom von Rainbow Bridge entworfen hatte, indem er einen Medizintechniker bestochen hatte, dem Mann eine Droge zu geben, die ihn am Ende der Reise von der Erde zum Jupiter nach dem Erwachen aus dem Kälteschlaf töten würde. Wie er mit Euclides Peixotos Sicherheitschef konspiriert hatte, um Emmanuel Vargos Geliebte zu ermorden, als diese der Wahrheit gefährlich nahe gekommen war. Wie er mit abtrünnigen Außenweltlern Komplotte geschmiedet hatte, um den Sicherheitschef loszuwerden, als die Dinge langsam ans Tageslicht kamen. Wie er eine Gesandte der Geister getötet hatte, die ihn bei einem Treffen auf Dione beschimpft hatte, und wie er dann den Wissenschaftler der Luft – und Raumwaffe umgebracht hatte, den er begleitet hatte, weil dieser versucht hatte, ihn von der Flucht abzuhalten. Wie er während der Schlacht um Paris einen Außenweltler und einen brasilianischen Soldaten erschossen hatte.
Und dann waren da noch die Morde, von denen sie bereits wusste, weil sie darin verstrickt gewesen war. Die Ermordung von Oberst Faustino Malarte. Der Tod von zwei Außenweltlern, die sie bei einem Geschäft hatten übers Ohr hauen wollen. Der Junge, der für den Mord, den Berry Hong-Owen begangen hatte, hingerichtet worden war.
Hauptmann Neves hielt
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