Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
Wo ist Ihr Freund Newton Jones?«
»Zu Hause. Bei den Kindern.«
»Zu Hause heißt wohl Proteus. Es kann nicht einfach sein, auf einem unfruchtbaren Eisbrocken zu leben, so weit von allem entfernt, was man Zivilisation nennen könnte.«
»Wir haben das Beste daraus gemacht.«
»Und Sie haben sich vermehrt. Eine Dynastie ins Leben gerufen.«
»Wir haben noch keine eigenen Kinder. Die Zwillinge sind Waisenkinder. Ihr Vater wurde von Ihren Leuten bei Uranus getötet, als sie sein unbewaffnetes Schiff angegriffen haben«, sagte Macy Minnot mit dem grimmigen Blick, an den sich Loc gut erinnern konnte.
»Nicht meine Leute«, sagte er. »Das muss Arvam Peixotos Expeditionsstreitmacht gewesen sein. Und wie Sie vielleicht gehört haben, hat der General seine wohlverdiente Strafe dafür und für andere fahrlässige Handlungen bekommen.«
»Aber Sie haben überlebt.« »Wir haben beide überlebt, Ms. Minnot. Trotz allem. Hoffen wir, dass wir das hier überleben werden.«
»Hoffen wir, dass es zu etwas nütze ist«, sagte Macy Minnot.
Nach der Vorstellungsrunde setzten sich alle in der größten Kapsel des Habitats zu einer Mahlzeit zusammen. Ein altes Ritual: Zwei Stämme treffen sich, brechen das Brot miteinander und schätzen gegenseitig ihre Unterschiede, Stärken und Schwächen ab.
Sowohl die Geister als auch die Freien Außenweltler waren angeblich demokratische Gemeinschaften, in denen alle den gleichen Rang und in gleichem Maße das Sagen hatten, doch es wurde schnell klar, dass der charismatische
Idriss Barr, der eine ständige Begeisterung versprühte, der wichtigste Gesprächspartner der Freien Außenweltler war, während die Geisterdelegation von Sada Selene angeführt wurde, die sogleich Wert darauf legte, gegen Locs Anwesenheit zu protestieren. Er war vor dem Krieg Mitglied einer diplomatischen Gesandtschaft im Saturnsystem gewesen und somit offensichtlich ein Spion. Und er hatte bei einer Wissenschaftskonferenz auf Dione eine ihrer Gesandten ermordet. Es war nicht in Ordnung, dass er jetzt hier war. Sie wollte, dass er abreiste.
Sara Póvoas war darauf vorbereitet. Sie sagte, dass Loc ein wichtiges Mitglied ihrer Delegation sei, persönlich ernannt von Euclides Peixoto, doch weil die Geister echte Vorbehalte gegen ihn hätten, werde sie dafür sorgen, dass er bei den Verhandlungen keine aktive Rolle spiele. Es war ein schlauer Schachzug gewesen, durch Locs Anwesenheit die Geister zu verstören und zu provozieren, und ihm scheinbar Privilegien zu entziehen, die er nie besessen hatte, als Zugeständnis an ihren Stolz. Die Geister fielen sofort darauf herein, und Sada Selene schien sichtlich erfreut darüber zu sein, sich durchgesetzt zu haben. Loc, der sich über ihre Naivität amüsierte, sagte zu Hauptmann Neves, dass die Anführerin der Geister besser daran getan hätte, diese Karte nicht gleich auszuspielen, sondern sie einzusetzen, um die Verhandlungen zu unterbrechen, falls sie mit der Entwicklung nicht einverstanden war.
»Sie ist zu aggressiv. Und sie hält Aggression für eine Tugend. Deswegen ist sie außerdem überheblich. Eine fatale Kombination. Póvoas und ihre Gesandtschaft werden leichtes Spiel mit ihr haben.«
Am folgenden Tag begannen die Verhandlungen.
Anfangs fuhren Sara Póvoas und die anderen Diplomaten einen versöhnlichen Kurs, fragten die Außenweltler, was sie
hier draußen zu tun gedachten, wie sie ihre Zukunft sahen, was sie von der DMB brauchten … Ungenau formulierte Fragen, die behutsam Perspektiven und Einstellungen der Außenweltler ausloten sollten. Unspezifische Antworten auf die Forderungsliste der Außenweltler. Beruhigende Äußerungen. Bedeutungslose Zusagen.
Sada Selene reagierte genauso darauf, wie Loc es vorhergesagt hatte, indem sie deutlich machte, dass sie und ihre Partner an keiner Art von Abkommen oder Handelsvertrag interessiert seien oder an sonst irgendetwas, das ihre Unabhängigkeit gefährden würde. Die Geister hätten keinen Bedarf an dem, was die DMB anzubieten hatte, sagte sie, und sie fürchteten die DMB auch nicht. Sie zeigte Bilder einer Stadt der Geister auf Triton – Büros und Werkstätten, in denen Betriebsamkeit herrschte, Raffinerien, die Metalle und Mineralien aus dem Wasser des in der Tiefe verborgenen Ozeans lösten, Arbeitsteams, die sich in einem riesigen Hangar um Schiffsskelette drängten, Reihen von Kapseln, in denen maskierte Geister lagen, die per Fernsteuerung Drohnenangriffe flogen. Sie sagte, dass die Geister den Raum
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