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Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun

Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun

Titel: Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
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und deshalb fügen sie ihr weitere Schmerzen zu. Eine gemeine Rückkopplungsschleife. Ich versuche, ihr mit kognitiver Therapie zu helfen. Und dass sie bei uns sitzen darf, ist Teil davon.«
    Amy war eine gute Freundin – die einzige, die Felice hatte –, und er brauchte ihre medizinischen Fachkenntnisse und die Medikamente, die sie ihm gab, um die Symptome seiner Krankheit zu lindern. Und das bedeutete, dass er versuchen musste, mit Bel Glise auszukommen. Die Mathematikerin
war eine Außenseiterin in Trusty Town. Sie saß allein im Gemeinschaftsraum oder wanderte zwischen den Wohnblocks umher und rieb sich die Hände, als wolle sie irgendeinen hartnäckigen Schmutzfleck entfernen. Dabei bewegten sich ihre Lippen, und ihr Blick ging ins Leere. Sie war häufig auf der Promenade anzutreffen, wo die Kuppel von Trusty Town an die Flanke des Hauptzeltes angrenzte und eine lange, flache Scheibe Baudiamant eine freie Aussicht auf die Mondoberfläche bot. Es gab nicht viel zu sehen – eine sanft gewellte Ebene mit kleinen Kratern, Fächern von Ejekta und einigen größeren Gesteinsbrocken –, aber das Panorama schien sie zu faszinieren und zu beruhigen.
    Felice Gottschalk mochte die Aussicht ebenfalls. Er beobachtete gern, wie die Schatten ihre Gestalt veränderten und die Farben der Landschaft sich von verschiedenen Grautönen in Bronze und Gold verwandelten, wenn die Sonne über den schwarzen Himmel wanderte. Es erinnerte ihn an die letzten Tage seiner Ausbildung, als er und seine Brüder das erste Mal die Mondoberfläche betreten durften. Damals war er voller froher Erwartung gewesen und hatte von den Missionen geträumt, mit denen man ihn betrauen würde, und den Siegen, zu denen er beitragen würde. Und ja, manchmal auch von Flucht. Selbst damals schon hatte er davon geträumt, dem zu entkommen, was er war, und sein wahres Ich zu finden. Wenn er das Mondpanorama betrachtete, nahm er im Geiste hin und wieder eine einfache Berechnung vor. Der Umfang des Mondes betrug etwa elftausend Kilometer, und der Korolev-Krater befand sich etwas abseits des Meridians. Wenn er zweitausend Kilometer in östliche Richtung wanderte, würde er die Erde über dem Horizont sehen. Es würde ungefähr zweihundert Stunden dauern, etwas über acht Tage …

    Eines Tages stand er wieder dort, in Gedanken versunken, als er hinter sich eine Bewegung wahrnahm. Am anderen Ende einer Wiese aus vertrocknetem, niedergetrampeltem Gras umkreisten zwei von Edz Jealotts Handlangern Bel Glise, verhöhnten und bedrängten sie. Als Felice Gottschalk näherkam, sah er, dass der größere der beiden Männer Zhang Hilton war, der Mann, dem er bei ihrem kurzen Kampf vor sechs Monaten nach seiner Entlassung aus der Klinik den Arm gebrochen hatte. Halb im Spaß versuchte Zhang Hilton, den Reißverschluss von Bel Glises Overall herunterzuziehen, und sie bemühte sich wütend und stumm, ihn daran zu hindern, indem sie mit einer Hand den Reißverschluss zuhielt und mit der anderen nach ihrem Angreifer schlug. Derweil machte Hiltons Gefährte anzügliche Bemerkungen.
    Hoch über ihnen flog eine Drohne, deren Gestalt sich scharf vor dem Blau der Kuppel abzeichnete. Felice konnte das leise Flüstern ihres Lüfters hören, während er über das Gras zum Ort des Geschehens lief. Zhang Hilton wandte sich ihm grinsend zu und fragte, ob er mitmachen wolle.
    Felice achtete nicht auf ihn, sondern fragte Bel Glise, ob es ihr gutginge. Sie nickte kurz, die blutleeren Lippen fest aufeinandergepresst.
    »Ich bringe dich zu deinem Zimmer zurück«, sagte Felice.
    »Wir haben gerade erst angefangen, und du willst uns den Spaß verderben?«, sagte Zhang Hilton. Er grinste immer noch, aber sein Blick war todernst. »Kommt nicht infrage.«
    »Wie geht es deinem Arm?«, fragte Felice.
    »Ich heile schnell«, sagte Zhang Hilton. »Und du?«
    »Wenn du mit mir kämpfen willst, dann lass andere Leute aus dem Spiel. Komm einfach zu mir und fordere mich heraus«, sagte Felice.

    Er beobachtete Zhang Hiltons Gesicht und achtete auf Hinweise, die ihm verraten würden, was dieser vorhatte. Aber er war sich zugleich auch Hiltons Freund am Rande seines Blickfeldes bewusst, der sich in diesem Moment nach etwas umsah. Felice wandte ebenfalls für eine halbe Sekunde den Kopf. Von Westen her kamen zwei Männer über den Platz herbeigelaufen und von Osten ein Mann und eine Frau. Alle bewegten sie sich mit dem selbstsicheren, zielstrebigen Gang von Edz Jealotts Handlangern. Felice sah, dass sich

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