Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
schon wieder und fuhren auf die Hauptrollbahn des Militärflugplatzes am Rande des Raumhafens mit seinen Gruben, Gerüsten und Reihen von rechteckigen, kalkweißen Hangars.
Cash sollte ein ziviles Shuttle steuern, das mehr als fünfzig Jahre alt war. Die Außenhülle war von der Hitze Tausender Wiedereintrittsmanöver unauslöschlich gezeichnet und seine Steuerung uralt, aber es war robust, gewissenhaft gewartet worden und mit dem neuen Fusionsantrieb ausgestattet. Cash kümmerte sich darum, dass es mit der bestmöglichen Bewaffnung ausgestattet wurde. Dann traf er sich noch kurz mit den Mannschaften der anderen Schiffe und stieg schließlich zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder in den Orbit auf. Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, als er von der Beschleunigung in die Liege gedrückt wurde und sein Flieger in den Himmel hinaufschoss.
Nachdem die sechs Schiffe einmal die Erde umrundet und sich zu einer Formation zusammengefunden hatten,
erhielten sie die Bestätigung, dass sie freie Bahn hatten. Sie zündeten ihre Antriebe und flogen auf die schmale Sichel des Mondes zu. Sieben Stunden später hatten sie die erdzugewandte Seite des Mondes erreicht. Cash vertraute den Vereinbarungen über freien Durchflug nicht. Deshalb ignorierte er die Nachrichten von der Verkehrsleitzentrale in Athena und auch die Signale von den Basen der Europäer und der Pazifischen Gemeinschaft und öffnete die Türen des Laderaums seines Shuttles. Eine Batterie mit intelligenten Kieseln geladener Schienengeschütze war in größter Eile an eine Drehscheibe am Heck geschweißt worden. Und über einen Totmannschalter konnte er auf eine einschüssige Röntgenlaserkanone zugreifen. Sollte er auf dem Radar irgendetwas entdecken, blieb ihm eine knappe Sekunde, um seinen Gegner zu beurteilen und zu entscheiden, ob er den Schalter umlegen und ihn von der KI der Kanone vernichten lassen wollte.
Cash befand sich endlich wieder in einer Gefechtssituation, aber ihm war schmerzhaft bewusst, dass er nur mit gewöhnlicher menschlicher Geschwindigkeit agierte. Er war nicht eins mit dem System und den Sensoren des Shuttles, seine Wahrnehmung erstreckte sich nicht bis in den letzten Winkel des Schiffes. Nein, er war eingesperrt in den knöchernen Kasten seines Schädels, starrte auf Anzeigen in virtuellem Licht und fuhrwerkte mit einem Steuerknüppel herum, was zu ärgerlichen Verzögerungen und Ungenauigkeiten führte. Es war so, als wollte er mit Hilfe einer Marionette, die mit Gabeln und Löffeln ausgestattet war, eine schwierige chirurgische Operation durchführen. Ein Einmannjäger mit einem gottverdammten Anfänger am Steuer hätte auftauchen und ihn ausschalten können, ohne dass er auch nur seine Anwesenheit bemerkt hätte.
Doch der Konvoi blieb vollkommen unbehelligt, während er in Richtung Osten durch die lunare Nacht flog. Cash verspürte einen Anflug von Nostalgie, als er einige landschaftliche Besonderheiten entdeckte, an die er sich von seinen vielen Übungsflügen mit dem J-1 – und J-2-Einmannjäger erinnerte. Das Licht der Erde machte die Konturen der Oberfläche weicher und tauchte sie in tiefe Schatten. Die rußige Ebene des Oceanus Procellarum. Das große Strahlensystem, das den Kopernikus-Krater umgab wie ein Schneeball auf einer schwarzen Windschutzscheibe. Das zerfurchte Hochlandgebiet um die dunklen Lavameere des Mare Tranquillitatis und des Mare Fecunditas …
Als sie über das Mare Tranquillitatis hinwegflogen, sagte Avernus: »Hier hat alles angefangen.« Es waren die einzigen Worte, die sie während des ganzen Fluges von sich gab.
Hoch über dem Mare Smythii am Ostrand der erdzugewandten Seite des Mondes zündete Cash den Antrieb des Shuttles, um es in einen lunaren Orbit zu bringen. Die anderen Schiffe folgten in dichter Formation. Sie flogen mit einer Geschwindigkeit von 0,8 Kilometern pro Sekunde in einer Höhe von zweihundert Kilometern inmitten einer Wolke von Sonden, die falsche IDs und elektronisches Geplapper sendeten, um mögliche Angreifer zu verwirren. Die Erde ging hinter ihnen unter, und über dem gewölbten Horizont stieg die Sonne auf und tauchte die uralten Schlachtfelder der erdabgewandten Seite in grelles Licht. Hier gab es keine dunklen Meere und auch keine Hochlandebenen. Nur die unberührten Überreste eines gewaltigen und gnadenlosen Bombardements, das die Oberfläche zerschmettert und mit Kratern in allen Größenordnungen gezeichnet hatte. Es gab lange Ketten von Kratern und welche,
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