Sonnenfeuer - Der Frieden war nah
Simin hielt zärtlich ihre Hand fest. „Bleib stark. Was gleich passiert ist gut.”
Hagen lachte hysterisch. „Inzwischen sind alle Atomkraftwerke vom Netz. Eigentlich auch ein Witz, oder? Wir sind die Atomkraft los. Einen Störfall in einem konventionellen Atomkraftwerk werden wir nicht mehr erleben.”
***
Feuerwerk
Mitternacht. Das neue Jahr begann, wie das alte endete, in Ungewissheit. Die Leute am Jungfernstieg wollten weder feiern, noch nach Hause gehen. Es lag eine seltsame Stimmung in der Luft. Ob die Menschen spürten, was ihnen bevorstand? Bisher waren noch keine Informationen über die drohende Katastrophe bekannt geworden. In Minnesota, Jiangxi und Hamburg schritten die identischen Entwicklungen voran. Das Sonnenfeuer wurde heißer und heißer. Es würde nicht mehr lange dauern.
„T-minus10.” Hagen rang mit seiner Stimme. „Die Techniker sind völlig ratlos. Das Energiefeld dürfte diesen Druck schon lange nicht mehr halten können. Viele haben schon aufgeben. Sie sitzen am Boden und versuchen vergeblich, mit ihren Familien zu telefonieren. Die öffentlichen Mobilfunknetze sind alle dicht!”
Neben Lea ließ jemand über einen mobilen DVBT-Fernseher die Nachrichten laufen. Die Sprecherin im Studio wirkte betroffen. Diese Silvesternacht trieb viele Menschen weit über ihre Grenzen hinaus.
In Hamburg kam es trotz Ausgangssperre zu dramatischen Straßenschlachten. Augenzeugen berichten aus der Innenstadt von schweren Ausschreitungen. Insgesamt wird die Zahl der Demonstranten auf über eine Millionen geschätzt. Eine Millionen Menschen, die in dieser Nacht ein Zeichen des Friedens setzen wollten. Polizei und Militär konnten trotz einer Strategie der Deeskalation nicht verhindern, dass zahlreiche Fahrzeuge und Ladenlokale ausbrannten. Über die Opferzahlen kann im Moment nur spekuliert werden. Die Rettungskräfte mussten die Bergung der Verletzten zwischenzeitlich einstellen. Inzwischen sind alle Zufahrtsstraßen durch die Bundeswehr gesperrt worden. Bei Übergriffen kam es auch zu Schusswechseln. Augenzeugen berichten von zahlreichen Toten...
Lea drehte sich weg. Das wollte sie nicht mehr hören. Für den Frieden? Immer wieder diese Phrase, für den Frieden zu kämpfen, war ein Widerspruch in sich.
Die Nachrichten ließen die Menschen in ihrer Nähe noch näher zusammenzurücken. Die Ausschreitungen, die Sirenen und auch die Schüsse hatten alle mitgekommen. Nicht direkt in der Nähe, aber unmöglich zu überhören. Serbien, Afghanistan und jetzt Hamburg? Lea wollte nur rennen.
Die staatliche iranische Nachrichtenagentur FARS hat alle Journalisten gegen 1 Uhr MEZ in Teheran zu einer außerordentlichen Pressekonferenz eingeladen. Der neue Machthaber, Dr. Ali Ben Zakuri möchte bei seinem Amtsantritt...
Die Nachrichtensprecherin zögerte und blickte zu Seite. Da musste etwas passiert sein. Zakuri hatte also die Macht an sich gerissen. Für welche Entwicklung würde er gut sein, würde er den Krieg beenden? Oder den gesamten Persischen Golf in Brand stecken?
Einen kleinen Moment bitte... Regie, womit machen wir weiter? In Ordnung. Wir ändern die Berichterstattung. Aus dem Iran erreichen uns seit wenigen Minuten verstörende Bilder. Al Jazeera berichtet von einer Kundgebung in Teheran, bei der tausende gläubige Schiiten den bevorstehenden Weltuntergang feiern. Die Ankunft des Mahdi, genauer, die Wiederkehr des Zwölften Imans der Schiiten, soll unmittelbar bevorstehen. Die Gläubigen beziehen ihre Eingebung über eine weltweite Apokalypse aus verschiedenen Hadithen, religiösen Zeichen, die zum Teil bereits stattgefunden haben sollen.
Lea schluckte. Natürlich kannte sie diese Ideologie. Auch die beschwichtigenden Worte von Simin hatte sie noch in den Ohren.
Das Mahdaviat soll mit der Machtergreifung eines Seyyed, Ayatollah Khomeini, einem Nachkommen des Propheten, 1979 begonnen haben. Der nächste Hadith dokumentiert den Krieg zwischen dem Iran und dem Irak, bei dem Gott beiden Parteien den Sieg verweigert hatte. Ein weiterer Hadith spricht über ein donnerndes Licht am Himmel, das alle Feinde des Islam zum Lobe Allahs verbrennen würde. Die Selbstmordanschläge vom 11.September werden diesen Hadith zugeordnet. Alle diese Ereignisse sind bereits geschehen. Als abschließendes Zeichen sieht diese Ideologie große Kriege mit dunklen Wolken, denen nur Chaos, Hunger und Verwüstung folgen. Und genau diese dunklen Wolken werden noch in dieser Nacht erwartet. Beim Anlauf der
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