Sonnenfeuer - Der Frieden war nah
Rekonfigurationsanlagen in Minnesota, Jiangxi und Hamburg soll es zu schweren Zwischenfällen kommen. Die unglaubliche Geschichte wurde durch die noch andauernden Stromausfälle in Nordamerika, Nordeuropa und Südchina beflügelt und grassiert durch die sozialen Netzwerke. Zumindest in Ländern, in denen diese noch erreichbar sind. Urheber der jüngsten Verlautbarungen ist Hassan Navid, ein bisher nicht in der Öffentlichkeit bekannter Offizier der iranischen Revolutionsgarde, dessen Schwester aber umso bekannter ist. Simin Navid ist die führende... warten Sie bitte kurz... wir erhalten gerade eine Dringlichkeitsmeldung für den Großraum Hamburg. Die Behörden beginnen die Stadt zu evakuieren. Auf unsere Nachfrage hin, wird aber ein Zwischenfall in der Rekonfigurationsanlage dementiert.”
„War das dein Ziel?” Lea wandte sich von Simin ab. Das war zuviel, sie wollte der Nachrichtensprecherin nicht mehr zuhören. „Ist das deine Wahrheit? War überhaupt irgendein Wort von dir wahr?”
„Lea, bitte. Schenk mir nur noch ein paar Minuten. Du wirst es verstehen. Das mit meinem Bruder spielt keine Rolle mehr, ich habe ihn benutzt. Mehr nicht. Es dauert doch nicht mehr lange. Du hast mir doch bisher vertraut. Bitte... ”
„Nein. Möchtest du nicht allen deinen Namen sagen? Die sehen dich sowieso alle an!”, rief Lea wütend. Ihr Glauben an Simin hatte diese Prüfung nicht bestanden.
Ein Sitznachbar, der sie die ganze Zeit bereits kritisch beäugte, tuschelte jetzt mit einigen Demonstranten in der Nähe. Jetzt war es passiert. Die wussten wer sie waren. Lea konnte sehen, wie die Nachricht über ihre Anwesenheit durch die Menge fegte. Trotz der Kerzen, ob die friedliche Stimmung jetzt noch Bestand haben würde?
„Ich bin Simin Navid. Alles was passiert ist mein Werk. Bei Allah. Vor euch. Ich werde mich dafür verantworten!”
Keiner in ihrer Nähe sagte ein Wort. Es war wie eine Berührung im Geiste. Nur, was würden die Menschen jetzt machen? Simin töten? Oder sie um Gnade anflehen? Tausende Menschen drehten sich zu ihr um. Und dabei sagte keiner ein Wort. Sogar die Straßenschlachten in der Ferne verstummten. Lea glaubte, dass ganz Hamburg, die ganze Welt auf Simin blickte.
„ICH BIN SIMIN NAVID! ALLES WAS PASSIEREN WIRD IST MEIN WERK! BEI ALLAH! ES IST MEIN WERK!”
Hagen weinte. „T-minus5. Ich sitze mit Leonie im Van und halte sie in den Armen. Die Kleine schläft. Ich habe sie nicht aufwecken wollen. Und die Anlage wird noch heißer. Der amerikanische Nuklearwaffenexperte versprach allen, dass wir keine Schmerzen haben werden.”
„BITTE FOLGEN SIE DEN ANWEISUNGEN DER POLIZEI UND RÄUMEN DIE STRASSE.” Ein Polizeisprecher verkündete diese Nachricht mit einem Megafon. „BLEIBEN RUHIG UND NUTZEN SIE DIE SONDERBUSSE UND SONDERZÜGE UM HAMBURG UMGEHEND ZU VERLASSEN!”
Lea knickte ein. Das war auch mehr, als sie ertragen konnte. Hilflos blickte sie zu Simin auf. Für sie hätte Lea ihr Leben gegeben. Warum tat sie ihr das an? Sie liebte diese Frau immer noch.
„WENN IHR GLAUBT, MICH RICHTEN ZU MÜSSEN. BITTE. ICH STEHE VOR EUCH!” Simin forderte die Massen. Das Gerede verstummte. Alle Menschen hingen ihr an den Lippen. Als ob sie wachsen würde. Überlebensgroß. Unerreichbar und unbezwingbar.
„T-minus3. Warum quält sie uns so? Warum hat sie nicht einfach die Dinger hoch gehen lassen? Ich kann nicht mehr... Leonie ist wachgeworden. Sie weint.”
„ICH BIN SIMIN NAVID! JETZT IST DER MOMENT DER ENTSCHEIDUNG! EURER ENTSCHEIDUNG! IHR ALLE SEID FÜR DIE ZUKUNFT VERANTWORTLICH!”, schrie Simin mit aller Kraft über den Jungfernstieg. Speichel ran ihr die Wange hinab. Das war ihr letztes Gefecht.
Vor ihr stand eine junge Frau, vielleicht knapp zwanzig Jahre alt, die bereits einige Zeit neben ihnen gesessen hatte. Langsam ging sie auf Simin zu. Berührte ihre Wange, wollte sie prüfen, ob Simin real war? War das alles überhaupt real?
„Warum?”, fragte die junge Frau leise. Es herrschte absolute Stille. Die Frage mussten hunderte gehört haben und noch mehr gierten nach einer Antwort.
„Weil ich lebe. Weil ich liebe und weil ich die Welt besser machen möchte.” Simin hatte sich wieder gefangen. Alle hörten ihr zu.
„Und dafür müssen wir sterben?” Die junge Frau konnte die Antwort nicht verstehen. Lea verstand sie auch nicht. Niemand verstand, warum Simin das getan hatte. Die Worte und die Ereignisse passten nicht zusammen.
„T-minus0. Das ist... ich kann das... warum? Warum
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