Sonnenfeuer - Der Frieden war nah
Paul weiter, seltsam, Lea hatte das Gefühl, als würde er ihr das erste Mal richtig zuhören.
„Nur eine Spur, nur eine von vielen. Wenn Hagen mehr findet, wird er mich informieren.”
„Hagen ist auch so ein Thema.”
„Warum?” Wenn Paul Hagen etwas tun würde, sie würde ihn dafür umbringen. Sofort. Und es würde schmerzhaft werden.
„Seine Zugriffsrechte auf die Datenbanken der verschiedenen Nachrichtendienste befinden sich immer noch nur eine Stufe unter Gott. Noch nie hatte ein Agent diese umfassenden Rechte. Und das ganz offiziell. Und Hagen redet mit niemand. Außer mit dir.”
„Und?” Lea störte das nicht. Hagen war in diesem verlogenen Drecksspiel ihre Rückversicherung. „Das ist sein Job!” Nur weil er seine Klappe hält, haben die alliierten Dienste seine Rechte gebilligt.
„Lea, wir sind auf derselben Seite. Bringe Hagen dazu, mit uns zu kooperieren. Das kann doch jetzt kein Problem mehr sein.”
„Ich rede mit ihm.” Paul konnte sie mal gernhaben. Hagen würde weiterhin unabhängig agieren, das würde Lea bestimmt nicht ändern wollen.
Aber sie sollte die Situation besser ausnutzen. Mit einem Lächeln sah sie Paul in die Augen, den diese unerwartete Geste scheinbar mehr aus der Ruhe brachte als alle Kriegs- und Terrorgefahren zuvor. „Paul, lass uns an dieser Stelle noch einmal über Noam und Kim sprechen.”
„Du hast dazugelernt.” Paul nickte anerkennend. „Du sorgst dich um ihr Wohlergehen?” Das hatte er verstanden, es war an der Zeit, den Preis für Leas Dienste zu erhöhen.
„Nein.” Lea erinnerte sich an ihre Schulzeit und wie sie damals den ersten Jungen angehimmelt hatte. Ähnlich blickte sie nun Paul an. „Das wirst du für mich tun.”
„Das liegt in der Hoheit der Briten und der Chinesen, das ist nicht so... ”
„Paul, kannst du dir irgendeine Sache vorstellen, die wichtiger ist, als der Betriebsanlauf dieser Anlage, das Leben von Simin Navid oder Hagens Loyalität?”
„Übertreibe es nicht.” Paul verteidigte seine Machtposition, lenkte aber ein. „In Ordnung, die werden den beiden kein Haar krümmen.”
„Und?” Das reichte Lea noch nicht, sie spielte plakativ mit dem Telefon.
„Ich habe es ja verstanden. Sie werden dich anrufen”, legte Paul nach, allerdings ohne dass Lea nachgab. Er schüttelte den Kopf, doch sie sah nur zu deutlich, dass er nicht aus dem Spiel aussteigen würde. „Sollen die beiden vielleicht auch noch eine Belobigung und bezahlten Urlaub auf einer verträumten Südseeinsel bekommen?”
„Also wenn du das erreichen würdest.” Jetzt glaubte Lea mit Paul eine passende Grundlage erreicht zu haben. Seine vor Wut funkelnden Augen sahen sexy aus. Aber auf Hagens weitreichende Datenbankrechte würden sie Paul weiterhin warten lassen.
Paul stand auf. „Du solltest jetzt gehen!”
Dieser Aufforderung kam Lea gerne nach, sie steckte die Waffe in den Holster und streifte Paul im Vorbeigehen mit der Hand durch die Haare. „Wir sehen uns.”
Ungefähr zwanzig Techniker, Schlauköpfe und andere Weißkittel huschten Lea vor der Nase her. Der große offene Steuerungsbereich der Hamburger Rekonfigurationsanlage glich einem Taubenschlag. Überall waren Monitore und wild blinkende Lämpchen. Von diesen Ameisen ging auch keiner, die flogen alle förmlich über den Boden und trugen der Königin die Objekte ihrer Begierde zu. Simin thronte über allem, Lea war völlig schleierhaft, wie aus diesem Chaos etwas Sinnvolles entstehen könnte.
Aber das war auch nicht ihre Aufgabe. Lea saß gut fünf Meter hinter Simin auf einem bequemen Bürostuhl und schlürfte endlich einen schwarzen Tee. Den deutlich sichtbaren Holster an ihrer Jeans sah scheinbar jeder. Denn niemand blieb länger bei Simin als nötig und niemand wollte Lea dabei den Rücken zudrehen. Ein wenig Respekt hatte noch nie geschadet. Dabei musterte sie jeden und scrollte parallel via Smartphone in deren Personalakten. Nur, die Mitarbeiter dieser Anlage waren alle dreimal chemisch gereinigt, da war noch nicht einmal ein Hauch einer Auffälligkeit in deren Unterlagen zu erkennen. Perfekt ausgebildete Akademiker, liberal, sozial belastbar und sexuell unauffällig, die wenigen Mountainbike Fahrer wirkten noch wie Rebellen.
Noch knapp sechs Stunden, dann würde das Jahr vorbei sein. Eine seltsame Vorstellung. Pauls Worte klangen ihr noch in den Ohren, er würde Simin kennen, so gut kennen, dass er die Entscheidung, Lea gegen den Widerstand des BND anzuheuern, mit einem
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