Sonnenfeuer
Townsville machen. Nach eingehendem Studium der Karten war Ying zu dem Schluß gekommen, daß man den Palmer River am schnellsten mit dem Schiff erreichte. Zu den Goldfeldern waren es von der Küste aus nur noch rund einhundertfünfzig Kilometer landeinwärts, während man auf der gefährlichen und schwierigen Landstrecke achthundert Kilometer zurücklegen mußte. Yuang Fu würde unterdessen die beiden Häuser und die zahlreichen gepachteten Schürfstellen in der Nähe verkaufen, danach sollte er seinem Herrn zur Küste folgen. Ein chinesischer Freund wartete nur darauf, daß Ying das Bordell verkaufte, und für die Minen war auch noch ein ordentlicher Preis zu erzielen.
Das Bordell hatte seinen Zweck erfüllt. Noch immer waren Rassenunruhen ein ernsthaftes Problem, und erfolgreiche chinesische Goldschürfer mußten damit rechnen, von Weißen überfallen zu werden. Neid und Habgier entluden sich nicht nur in gehässigen Bemerkungen, sondern auch in blutigen Vergeltungsschlägen. Zwei von Yings Kulis waren in ihrer Mine ermordet, zwei andere ausgeraubt worden, ehe Yuang Pan ihre Tagesausbeute abholen konnte. Es war unumgänglich gewesen, die beiden Männer als abschrekkendes Beispiel durch die Yuang-Brüder hinrichten zu lassen. Aber Ying wußte, daß er auch zu seinem eigenen Schutz Sicherheitsvorkehrungen treffen mußte, denn die Goldgräber hatten es besonders auf die chinesischen Anführer abgesehen; sie glaubten, wenn sie dem Drachen den Kopf abschlugen, blieben nur die Kulis als hilfloser Rumpf übrig. Darin irrten sie sich allerdings, denn die Kulis wurden einfach von anderen Chinesen übernommen. Wie auch immer, Leute wie Chin Ying konnten ohne Begleitschutz nirgendwohin reisen.
Als Ying zu beträchtlichem Reichtum gekommen war, hatte er beschlossen, ein erstklassiges Bordell zu eröffnen, um die Aufmerksamkeit der Weißen von sich abzulenken. Für die Liebesdienste seiner Damen verlangte er ungeheure Preise, doch das störte die Freier nicht. Sie brüsteten sich damit, im teuersten Bordell, das der »Nabel der Welt« zu bieten hatte, ein und aus zu gehen. Daß der Chinese sein Geld mit einem Bordell verdiente, sahen sie mit Wohlwollen; so war er in ihren Augen zumindest kein Rivale mehr. Die Tätigkeit des Chinesen war durchaus angesehen, er stellte wohlhabenden Herren Dienstleistungen zur Verfügung. Ying lächelte. Er erhielt nicht nur von seinen Schürfstellen ständigen Nachschub an Gold, die Goldgräber rannten ihm zudem fast die Türen ein, um für eine seiner acht hübschen Damen ihr Gold loszuwerden.
Überdies war es angenehmer, im Bordell zu wohnen als in einem verlausten Zelt bei den schmutzigen Goldfeldern. Beim bloßen Gedanken an die widrigen Lebensumstände dort draußen schauderte ihn. Doch der Palmer River würde ganz anders sein – eine saubere und unverdorbene Gegend für jene, die als erste ankamen. Bis die Masse der Goldsucher überhaupt wußte, wie sie dorthin gelangen konnte, wollte Ying mit seinen Kulis schon so viel Gold gesammelt haben, wie sie fortschaffen konnten. Wenn die anderen kamen und den Platz in eine stinkende Kloake verwandelten, wäre er schon längst wieder verschwunden.
Nach Charters Towers würde er nicht mehr zurückkehren. Er war jetzt so wohlhabend, daß er sich zur Ruhe setzen konnte, und das Palmer-Gold würde die Krönung seines ohnehin schon beachtlichen Vermögens sein.
Ying war mit dem Aussortieren der Papiere in seinen Schreibtischschubladen fertig und wandte sich gerade seinen beiden Tresoren zu, als er durch ein Klopfen an der Tür gestört wurde. Obwohl er nicht darauf antwortete, ging die Tür auf und Diamond trat ein. »Bitte entschuldigen Sie, Mr. Chin, aber ich muß mit Ihnen reden. Es ist wichtig.«
Ying seufzte. »Ich habe jetzt keine Zeit.« Er mochte Diamond; sie war ein kluges Mädchen, aber auch schwierig und nicht so fügsam wie seine anderen Frauen. Unter Fan Sus Anleitung war sie zu einer Schönheit geworden. Selbst bei Weißen, die nichts für schwarze Mädchen übrighatten, war sie begehrt.
Überrascht sah sie sich im Zimmer um. »Sie packen?«
»Ja.«
»Wohin gehen Sie?« Mißbilligend kniff Ying den Mund zusammen; er war diesem Mädchen schließlich keine Rechenschaft schuldig. »Was willst du, Diamond?«
»Ich wollte Ihnen sagen, daß ich fortgehen werde.«
»Gut.« An dem Bordell lag ihm ohnehin nichts mehr. »Heute abend werden alle ausbezahlt.«
»Danke.« Ihr Blick fiel auf die Landkarten, die auf dem Schreibtisch lagen.
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