Sonnenfeuer
unfreiwillige Ruhepause und die geregelten Mahlzeiten bekamen ihm bestens, und zudem fand er Gefallen an seiner Rolle als Spion. Diese Chinesen waren schon gerissene Burschen.
Als er eines Mittags auf der Vortreppe der Red-Dog-Schenke döste, vernahm er plötzlich den Ruf, Mulligan sei zurück. Jetzt galt es herauszufinden, was Mulligan sagte. Und wenn er nun gar nichts sagte, nichts sagen wollte? Wie auch immer, seine Aufgabe war es, dem Chinesen Bescheid zu sagen, und das würde er tun. Es war ohnehin an der Zeit, nach Charters zurückzukehren, Billy würde sich allmählich Sorgen machen.
Eddie rannte auf die Straße und gesellte sich zu den Männern, die Mulligans Ankunft erwarteten. Ein Blick genügte, und Eddie wußte, daß diese drei bärtigen Männer tatsächlich aus dem tiefsten Busch kamen. Sie trugen zwar abgewetzte Hirschlederhosen, doch die Stiefel und Westen waren aus Känguruhleder. Eddie lief ein Schauer über den Rücken. Dieser Mulligan und seine beiden Kameraden, das waren richtige Pioniere.
Schwer bewaffnet mit Gewehren, Pistolen und langen Messern, Patronengurte um die Schultern geschnallt, ritten die drei nebeneinander die Straße entlang und erwiderten die freudigen Willkommensrufe der Leute, die ihnen hinterherrannten wie die Kinder dem Rattenfänger.
»Was gibt es Neues, Mulligan?« wurden die Männer gefragt, doch sie ritten schweigend weiter bis zum Büro des Goldbeauftragten. Dort stiegen sie von ihren Pferden ab und gingen hinein.
Stille trat ein, und die neugierige Menge blieb wie angewurzelt stehen. Wenn jetzt ein Wirbelsturm über den Ort hereinbrechen würde, kam es Eddie in den Sinn, würde keiner auch nur einen Finger rühren. Spannung lag in der Luft.
Der Bürovorsteher kam heraus und schien eine Ewigkeit zu brauchen, ehe er mit ungerührter Miene einen handgeschriebenen Zettel an der Wand befestigt hatte.
Eddie sprang vor und erhaschte einen Blick auf das sorgfältig beschriebene Blatt, ehe er von der ungestümen Menge abgedrängt wurde.
Von weiter hinten rief jemand: »Was steht denn da?«, dann brach ein anderer in einen Jubelschrei aus.
»Mulligan, du bist ein Teufelskerl!«
»Hier steht was von Gold!«
»Wo denn? Wo?«
»Beträchtliche Goldvorkommen am Palmer River, steht da!«
»Palmer? Wo ist denn das?«
»Weiß ich doch nicht!«
Da trat der Ire selbst aus der Tür, und augenblicklich herrschte Stille. Er stand auf der obersten Stufe der Holztreppe und hakte die Daumen in seinen Patronengurt ein. Seine dunklen Augen spähten unter den buschigen Brauen hervor, als musterte er die Menge. »Hört mir noch einen Augenblick zu, Leute, ehe ihr euch völlig verrückt macht.« Er hatte einen faustgroßen Klumpen Gold in der Hand und hielt ihn hoch. »Den habe ich im Palmer River gefunden, und ich und meine Kameraden haben einen Claim abgesteckt, aber da ist noch viel mehr zu holen. Der Beamte hat den Palmer offiziell zum Goldfeld erklärt.«
»Wo ist denn dieser Fluß?« rief jemand inmitten der Jubelschreie, doch Mulligans Antwort ging im Lärm der johlenden Menge unter. Die Männer warfen vor Freude ihre Hüte in die Luft, einer schlug auf der staubigen Straße ein Rad, und ein anderer packte Eddie und wirbelte ihn in einem ausgelassenen Tanz herum.
»Reißt euch zusammen, Leute«, fuhr Mulligan grinsend fort. »Hört lieber zu, was ich euch noch zu sagen habe. Der Palmer liegt ungefähr vier- oder fünfhundert Kilometer nordöstlich von hier. Und jetzt paßt auf: Weichlinge sollten lieber zu Hause bleiben, denn das ist eine ziemlich rauhe Gegend. Die Aborigines dort sind alles andere als freundlich gesonnen.«
»Ach, die jagen wir zum Teufel!« schrie einer.
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, warnte Mulligan ihn. »Und noch was. Nehmt euch unbedingt genug Verpflegung mit, sonst geht ihr vor die Hunde. Das hier ist der letzte Vorposten, dann müßt ihr vier große Flüsse überqueren, den Lynd, den Tate, den Walsh und den Mitchell, und das bedeutet, daß es während der Regenzeit kein Zurück gibt. Dann sitzt ihr da draußen fest, und ohne Vorräte verhungert ihr.«
Die Menge wurde ungeduldig, Mulligans Warnungen waren für sie belanglos. Ein paar Männer drängten sich bereits an ihm vorbei, um die Karten im Büro des Goldbeauftragten zu studieren. Mulligans Stimme wurde lauter. »Ich werde eine gut ausgerüstete Expedition leiten, und ich bin bereit, hundert Goldsucher mitzunehmen. Wahrscheinlich will der eine oder andere seine Familie mitnehmen, aber ich
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