Sonnenfeuer
einem säumigen Schuldner ziemlich auf den Leib rücken, wie Herbert festgestellt hatte. Zwar betrogen, bekämpften und bestahlen sie einander, aber man konnte in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, wenn man sich vor seinen Spielschulden drückte. Jetzt, nach sechs Monaten im Busch, hatte Herbert das Gefühl, nach Hause zu kommen. Wo hätte er sonst auch hingehen sollen?
Im Palace Hotel mietete er sich ein Zimmer. Zu seiner freudigen Überraschung begrüßte ihn O’Keefe, der Gastwirt, wie einen guten Freund. »Schön, Sie wiederzusehen, Herbie. Sie waren Goldschürfen, habe ich gehört. Wie ist es gelaufen?«
»Außerordentlich gut, danke.«
»Man sagt, in Charters Towers karren sie das Gold noch immer wagenweise davon.«
»Das stimmt. Es wimmelt hier nur so von Goldgräbern, aber Glück muß man trotzdem haben. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, und danach ist es eine elende Knochenarbeit.« Er betrachtete seine schwieligen Hände und meinte lachend: »Mein alter Herr würde sich ganz schön wundern.«
»Es ist eine Schande, daß Sie sich Ihre wunderbaren Musikerhände so zerschunden haben, Herbie. Heutzutage spielt niemand mehr auf meinem Klavier. Bowen hat sich verändert, es ist hier ziemlich ruhig geworden.«
»Ja, in der Tat. Ich muß jetzt einige Herren aufsuchen und meine Schulden bezahlen. Sozusagen reinen Tisch machen, Sie verstehen?« Als Herbert sich nach drei Männern aus seiner ehemaligen Kartenspielerrunde erkundigte, grinste O’Keefe. »Patsy braucht Ihr Geld jetzt nicht mehr, er hat bei einer Schießerei mit Digger Grimes den kürzeren gezogen. Und Digger hat sich schleunigst aus dem Staub gemacht, keiner weiß, wohin. Und was Ihren anderen Freund betrifft, der wird mittlerweile die Spielsalons in Sydney unsicher machen. Ich denke, den können Sie ebenfalls vergessen.«
Eine überaus erfreuliche Heimkehr, dachte Herbert und genoß das Gefühl, wider Erwarten um redlich verdiente sechshundert Pfund reicher zu sein. Er ging auf sein Zimmer und warf sein Reisebündel aufs Bett. Jetzt mußte er nur noch seine Schulden bei dem Chinesen begleichen. Aber als erstes würde er sich anständige Kleider zulegen.
Nachdem Lew Herbert den Claim überlassen hatte, war Marie Bourke ihm beim Schürfen behilflich gewesen, und bald hatte er ihr gewinnendes Wesen schätzen gelernt. Zwar kommandierte sie ihn fast genauso herum wie Lew, doch ihre neckische, unbeschwerte Art gefiel ihm. Sie war immer gut gelaunt, mochte die Arbeit des Tages noch so anstrengend und unergiebig gewesen sein. Und sie hatte eine aufregende Figur, zwar schlank, aber mit vollen, festen Brüsten. Wenn ihr Vater nicht so wachsam gewesen wäre, hätte sie sich vielleicht auf ein Liebesabenteuer mit Herbert eingelassen. Jetzt bedauerte er, daß er es nicht einmal versucht hatte. Sie fehlte ihm.
Lew hatte durch einen berittenen Boten einen Brief an Herbert geschickt, in dem er ihm von neuen Goldfunden im Norden berichtete; wenn Herbert sich seiner Expedition anschließen wolle, solle er auf schnellstem Wege nach Townsville kommen. Aber er solle ja niemandem etwas davon erzählen.
Einige Tage darauf hatte er spät abends noch mit Jim Bourke bei einem Whisky zusammengesessen. »Haben Sie mal wieder was von Lew gehört?«
»Ja.«
»Was macht er denn jetzt?« fragte Bourke.
»Hat sich irgendwas Verrücktes in den Kopf gesetzt und ist in den Norden gefahren. Er hat mich gefragt, ob ich mitkomme, aber ich denke gar nicht daran. Mir reicht es hier schon, noch weiter rauf in den Norden muß wirklich nicht sein.«
»Was hat er sich denn in den Kopf gesetzt?«
»Ich darf es eigentlich niemandem sagen, also behalten Sie es für sich. Ihn hat wieder das Goldfieber gepackt.«
»Ich habe Gerüchte davon gehört«, meinte Bourke.
»Hat er gesagt, wo?«
»Nein, nur daß sie von Townsville aus aufbrechen.«
Bourke starrte ihn verblüfft an. »Von Townsville aus? Wieso denn das?«
Herbert lächelte. »Man muß nur zwei und zwei zusammenzählen, mein Lieber. Wenn Lew von Townsville aus loszieht, anstatt von Charters Towers, heißt das, daß unser guter Kapitän mit dem Schiff nach Norden fährt.«
»Was Sie nicht sagen«, murmelte Bourke. »Die Kulis von Chin sind auch weg, von einem Tag auf den anderen verschwunden.«
»Natürlich, er und Chin sind doch Partner. Waren sie schon von Anfang an.«
»Trinken Sie noch einen Schluck, Herbie.« Bourke schenkte Herbert großzügig nach. »Wissen Sie, unsere Schürfstellen geben nicht mehr viel
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