Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw

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eines unbezahlten Dienstmädchens zufriedengeben? Sie verfügt über den Reiz des Fremden. In China wäre sie nicht nur ein Diamant, sondern eine kostbare schwarze Perle, und sie könnte dort eine äußerst angesehene Konkubine werden.«
    Lew sah zu Chin Ying hinüber, der wie üblich Hof hielt. Diesmal waren es die Bourkes, die hingebungsvoll seinen Weisheiten lauschten. Der Mann hätte Lehrer werden sollen, dachte Lew; sein Freund liebte den »Diskurs«, wie er es nannte, mit Fremden. Lew ärgerte sich noch immer darüber, daß die beiden Bourke-Frauen darauf bestanden hatten, mitzukommen. Hier war einfach nicht der richtige Platz für sie. Aber Cooktown würde sich sicher rasch zu einer Goldgräberstadt entwickeln, und dann würden die beiden Frauen bestimmt genug weibliche Gesellschaft finden.
    Inzwischen wurde das Schiff von einigen verspielten Tümmlern begleitet, und als Lew nach achtern ging, um sie besser beobachten zu können, geriet er unversehens in Hörweite der anderen Reisenden. Sie sprachen über Diamond.
    »Dieses Mädchen macht mir Angst«, sagte Mrs. Bourke. »Ich möchte ihr lieber nicht in die Quere kommen.«
    »Das ist doch Unsinn«, widersprach ihre Tochter Marie. »Ich finde sie sehr nett und auch immer ausgesprochen höflich.«
    »Das schon«, entgegnete ihre Mutter. »Aber sie hat etwas Furchteinflößendes an sich. Etwas Böses …«
    Chin Ying hob abwehrend die Hände. »Nein, nein! Nichts Böses. Was Sie abstößt, ist lediglich ihre andersartige sittliche Haltung. Sie teilt nicht Ihre christliche Grundeinstellung. Diamonds Verhaltensweise ist unvermittelter und ursprünglicher.«
    »Das habe ich ja gemeint«, pflichtete Mrs. Bourke ihm eilends bei. »Sie ist eine Heidin.«
    Lew, der ihnen den Rücken zugewandt hatte, mußte grinsen. Jetzt war sie Ying auf den Leim gegangen. Er hörte, wie der Chinese seufzte und erwiderte: »Ich gehöre ebenfalls nicht dem christlichen Glauben an. Würden Sie mich auch als Heiden bezeichnen?«
    Mrs. Bourke, die sich ihrer taktlosen Bemerkung bewußt wurde, murmelte verlegen eine Entschuldigung. Lew wandte sich ab.
    »Nun, Diamond?« sagte er, als er sich zu ihr an den Bug gesellte. »Ist das deine Heimat?«
    Diamonds Blicke wanderten aufgeregt hin und her. »Ich glaube schon. Doch, ich bin mir beinahe sicher. Von der Küstenlandschaft her kann ich es nicht sagen, sie sieht überall gleich aus, aber nur ein kleines Stück weiter im Landesinneren müßte ein großer Wasserfall sein. Und wenn ich mich nicht irre, ist es dieser Fluß … Geben Sie acht, halten Sie sich von diesem Fluß fern.«
    »Was meinst du?« fragte Lew. Schließlich hatten er und Ying vor, mit dem Beiboot zuerst den Endeavour River zu erkunden. Auf diese Weise könnten sie am schnellsten eine geeignete Route ausarbeiten, falls die Goldgräber, die schon früher angekommen waren, noch keine gefunden hatten. Lew befürchtete, daß Ying und ihm nichts anderes übrigbleiben würde, als auf gut Glück einen Weg ins Landesinnere zu suchen.
    »Krokodile«, antwortete Diamond. »Wenn das der Fluß ist, den ich meine, dann wimmelt es hier von diesen Bestien.« Sie erschauderte. »Das, was dem armen Mr. Middleton zugestoßen ist, möchte ich nicht noch einmal miterleben müssen.«
    »Nun«, meinte Lew, »wir werden sehen.«
    Da sich die Nachricht vom Gold des Palmer durch den Telegraphen in Windeseile verbreitet hatte, war Cooktown praktisch über Nacht aus dem Boden geschossen. Einige Tage vor Yings und Lews Ankunft hatte bereits der Dampfer
Leichhardt
an die hundert Goldgräber an Land gesetzt, und gerade fuhr auch der bewaffnete Schoner
Pearl
in die Flußmündung ein. Die Regierung handelte rasch; mittlerweile wußten die Behörden in Queensland, wie bei einem Goldrausch vorzugehen war. Der Regierungsbeauftragte Howard St. George war schon im Amt und wurde von einer Polizeitruppe unterstützt. Doch trotz der Anwesenheit der Ordnungskräfte herrschte große Aufregung in der Stadt, denn die Eingeborenen hatten sich als alles andere als friedfertig erwiesen. Schon einige der leichtsinnigen Goldgräber, die sich zu weit von ihren Lagern entfernt hatten, waren unbekannten Angreifern zum Opfer gefallen.
    Nachts flackerten auf den umliegenden Hügeln zu Hunderten die Feuer der Eingeborenen – eine offene Herausforderung an die weißen Eindringlinge.
    Während Yings Kulis das Schiff entluden und die Zelte aufschlugen, berief Ying eine Versammlung seiner Gruppe ein. Er verkündete, daß er die