Sonnenfeuer
gekommen, doch von Ben hatten sie nichts gehört.
»Ich kann mir vorstellen, dem armen Mann geht es nicht anders als Perfy«, vermutete Alice. »Aber versetzt euch erstmal in die Lage der armen Mutter! Es muß einfach furchtbar sein, den Sohn an einem fernen Ort begraben zu wissen, ohne daß man an seinem Grab ein Gebet sprechen kann.« Alice traten wieder einmal Tränen in die Augen.
Mehrere Wochen zogen ins Land, und viele Bekannte kamen vorbei, um Perfy ihr Beileid auszusprechen. Doch ihr ging es immer schlechter. Sie konnte kaum einen Bissen hinunterbringen und hatte keine Lust mehr, sich zurechtzumachen. Statt dessen verbrachte sie Tage in ihrem Zimmer, wo sie an die Wand starrte und träumte. Des Nachts fand sie keinen Schlaf.
Aber eines Tages stand Diamond vor der Tür und fragte nach Perfy. Alice hatte sich mittlerweile angewöhnt, Besucher abzuweisen, da Perfy immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt wurde und nur schwer wieder zu beruhigen war.
»Tut mir leid, aber sie ist zu durcheinander, um jemanden zu sprechen«, sagte Alice deshalb zu Diamond.
»Das habe ich gehört«, entgegnete Diamond. »Und ich dachte, ich könnte vielleicht helfen. Miss Perfy war immer so nett zu mir.«
»Ich wüßte nicht, was du für sie tun könntest«, erwiderte Alice, doch Jack zog sie zur Seite.
»Um Himmels Willen, wenn sie glaubt, sie kann helfen, dann laß sie nur machen.«
Später hörten sie, wie das schwarze Mädchen mit leiser Stimme eintönige Melodien summte. Dann redete sie, wie es schien, endlos auf Perfy ein, doch sie sprach so leise und sanft, daß die Eltern ihre Worte nicht verstehen konnten. Perfy antwortete nicht.
»Das klingt ganz wie ein heidnischer Ritus«, sorgte sich Alice. »Und wenn es ein hinduistischer wäre, würde mich das auch nicht stören«, entgegnete Jack.
»Was soll das alles bezwecken?«
»Du meine Güte, das weiß ich nicht! Vielleicht will sie Perfy nur von ihrer Trauer ablenken.«
Von nun an kam Diamond jeden Abend vorbei, und ihr war es zu verdanken, daß Perfy wieder das Haus verließ. Gemeinsam machten die Mädchen lange Spaziergänge durch die Stille der Nacht. Zwar hatte Jack keine Ahnung, worüber die beiden sprachen, doch Perfy erholte sich zusehends.
Dann kam ein Brief, in dem Perfy gebeten wurde, die Kanzlei der Anwälte Jauncy und Bascombe aufzusuchen. Jack entschloß sich, seine Tochter zu begleiten. Seit einiger Zeit schon machte er sich Sorgen wegen der teuren Kleider, die Darcy für Perfy gekauft hatte und die noch immer unausgepackt in ihren Kartons in ihrem Zimmer lagen. Er wußte noch, wie Perfy ihm staunend erzählt hatte, daß Darcy nur mit seiner Unterschrift dafür bezahlt hatte. Man mußte den Dingen ins Auge sehen. Wenn Darcy vor seinem Tod nicht mehr dazu gekommen war, die Rechnung zu begleichen, mußte ein anderer dafür aufkommen, und dieser Jemand war ganz sicher nicht Jack Middleton. In diesem Fall würde Perfy die Sachen einfach zurückgeben. Die Reitausrüstung brauchte sie ohnehin nicht mehr, aber um den Ring wäre es wirklich schade gewesen.
Punkt zwei Uhr nachmittags schob er Perfy in Mr. Jauncys Büro. Der Rechtsanwalt sprach Perfy sein Beileid aus, was bei ihr zu einem Tränenausbruch führte. Nachdem die beiden Männer sie beruhigt hatten, wollte Mr. Jauncy zunächst nicht so recht zur Sache kommen. Lang und breit erklärte er, Darcy sei nicht nur sein Mandant, sondern auch ein guter Freund gewesen. Er selbst habe bereits die Angelegenheiten des verstorbenen Teddy Buchanan geregelt. Dann kam er tatsächlich noch aufs Wetter zu sprechen. So unwohl Jack sich auch in seiner steifen Uniform fühlte, deren enger Kragen ihm in den Hals schnitt, so gab er sich doch größte Mühe, ruhig und gelassen abzuwarten, was Jauncy eigentlich zu sagen hatte. Doch als sie das Büro verließen, überstürzten sich seine Gedanken, und Perfy zitterte am ganzen Leibe. Sie traten auf die Straße, und Perfy nahm Jacks Arm. »Was er gesagt hat … ist das auch wirklich wahr?«
»Daran besteht wohl kein Zweifel mehr«, antwortete Jack. »Laß uns nach Hause gehen. Ich brauche jetzt erst mal eine Tasse Tee.«
»Daran besteht wohl kein Zweifel mehr«, wiederholte er später seiner Frau gegenüber. »Darcy hat sein Testament geändert und bestätigen lassen. Perfy ist reich. Er hat ihr alles hinterlassen, was er besaß, also das Geld auf der Bank und die Hälfte von Caravale. Er wollte sichergehen, daß sie versorgt ist.«
»Und wem gehört die
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