Sonnenfeuer
also tatsächlich diesen Tölpel nur wegen Caravale heiraten?«
»Warum nicht?«
»Das ist Wahnsinn!«
»Nicht unbedingt. Aber wenn er verheiratet ist, können wir’s vergessen.«
»Das glaube ich auch.«
»Und was ist mit der Tochter? Hast du sie näher kennengelernt?«
»Nein, ich habe sie nur ein paarmal gesehen. Du weißt doch, sie war Hausmädchen beim Gouverneur.«
»Wie sieht sie aus? Das muß ich wissen, Ben, denn früher oder später werden wir mit diesen Leuten zu tun haben.«
»Um ehrlich zu sein, sieht sie ganz gut aus.«
»Heller oder dunkler Typ?«
»Sie ist blond, und wenn ich so darüber nachdenke, hat sie eigentlich eine ganz gute Figur.«
Cornelia nickte. »Wir haben also ein junges Mädchen, das nett aussieht und sicherlich heiratswillig ist. In etwa einem Jahr besitzt sie die Hälfte unserer Farm, ohne daß ihr Vater ihr noch dreinreden kann.«
»Ja, und?«
»Ich glaube, es ist an der Zeit, daß du über deinen Schatten springst und dir mal überlegst, ob du sie nicht heiraten willst.«
»Du bist verrückt!«
»Denk mal darüber nach. Wenn du sie nicht heiratest, tut es ein anderer, denn sie ist eine gute Partie. Dann müssen wir uns auch mit ihrem Ehemann herumschlagen. Aber wenn du sie heiratest, fällt Caravale an dich zurück, und es kostet dich keinen Pfennig.«
»Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage.«
Sie brachte ihm eine Schüssel Pudding und reichte ihm den Sahnekrug. »Tu was du willst. Ich mische mich da nicht ein, das mußt du selbst entscheiden. Wie es klingt, ist sie wenigstens nicht häßlich, und, mein lieber Sohn, welches Mädchen hat schon solch eine Mitgift?«
»Das ist einfach lächerlich. Was erwartest du von mir? Soll ich einen Brief schreiben und um die Hand einer völlig Fremden anhalten?«
»Selbstverständlich nicht. Warte erst mal ab. Jauncy hat gesagt, daß sich Mr. Middleton zu gegebener Zeit mit uns in Verbindung setzen wird. Ich wette, die Middletons können es kaum erwarten, einen Blick auf ihr neuerworbenes Eigentum zu werfen. Wir hören sicher noch früh genug von ihnen. Du bist ihr Partner, warte also ab, bis sie den ersten Schritt tun.«
1
C hin Ying verließ die Wohnung seiner Familie und ging mit gesenktem Kopf über den Platz. Er wußte, daß alle Blicke auf ihn gerichtet waren. Es war eine Ehre, vom Großfürsten Cheong eingeladen zu werden, und sicher hatten alle, die in seinen Herrschaftshäusern wohnten, schon davon gehört – angefangen bei den hochrangigen Familienmitgliedern über die Höflinge, die geschwätzigen Konkubinen und Eunuchen bis hinunter zum niedrigsten Diener.
Er war geziemend gekleidet mit einem Mantel aus königsblauer wattierter Seide, der mit goldenen und roten Drachen bestickt war, und einer breiten orangefarbenen Schärpe. Der Mantel hatte lange, spitz zulaufende Ärmel mit einem cremefarbenen Seidensaum und war, wie es der Anstand gebot, knöchellang. Sein bestes, himmelblaues Gewand mit dem kostbaren orangefarbenen Saum schleifte über den Boden und verbarg seine unwürdigen Füße, die in weichen Seidenpantoffeln steckten. Auf dem Kopf trug er einen runden schwarzen Hut, verziert mit goldenen und silbernen Perlen. Mit einem einfachen schwarzen Seidenhut hätte er mehr Geschmack bewiesen, fand Ying, aber seine Mutter war anderer Ansicht gewesen. Der Großfürst Cheong und seine Fürstin bevorzugten farbenprächtige Kleidung. Ying marschierte über den Roten Platz des Glücks zum Duftenden Garten und dann weiter zum Pavillon des Knospenden Lotus. Die jungen Damen, die die Fische in den Teichen betrachteten und sich nach dem Vorübergehenden umdrehten, würdigte er keines Blickes, obwohl sie über ihn tuschelten, und zwar ziemlich unverhohlen, wie er fand. Auf dem Weg des Singenden Bambus kam er schließlich zum Purpurnen Perlentor, dem Eingang, der hohen Beamten vorbehalten war. Natürlich war er nicht so reich geschmückt wie der Eingang zu Fürst Cheongs Hof, der nur von Familienmitgliedern benutzt wurde, aber er war trotzdem prächtig. Beim bloßen Gedanken an die fürstliche Familie beugte Ying ehrfürchtig das Haupt.
Er hatte oft draußen auf der Straße gestanden und den Prozessionen zugesehen, die durch die Haupttore von Fürst Cheongs von Mauern umgebenem Anwesen zogen. Beeindruckt hatte er beobachtet, mit welchem Pomp und welchen Zeremonien bedeutende Gäste empfangen wurden, und er war stolz darauf, daß er innerhalb dieser Mauern leben und wohnen durfte, ein junger Edelmann von hohem
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