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Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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nicht weiter. Er öffnete die erst beste der geschnitzten Truhen und wühlte darin herum. »Was zum Teufel ist das alles?« Roben und Jacken aus Seide und Satin, Steppmäntel, aufwendig bestickte Hemden und Brokatpantoffeln kamen zum Vorschein. »Was haben Sie da, Kostüme für die Oper?«
    In seiner Ehre gekränkt trat Mr. Chin einen Schritt vor. Er hatte den Mantel abgelegt und trug nun eine weite wattierte Jacke, die mit großen goldenen Flügelschultern prächtig paspeliert war, dazu schwarze Satinhosen. In dem mit Druckprägungen verzierten Ledergürtel steckte ein mit Quasten geschmücktes Schwert.
    Mit starrem Blick verfolgte Lew, wie Chins Hand nach dem Schwert griff und sich seine Diener bedrohlich hinter ihn stellten. Er stieß die Kleidertruhe beiseite und trat Chin gegenüber. »Ein Mann, der sein Leben wegen ein paar Kleidern aufs Spiel setzt, muß ein ausgemachter Narr sein. Wenn Sie die Finger nicht vom Schwert lassen, werfe ich Sie über Bord.«
    »Das stellen Sie sich ein wenig zu einfach vor, Kapitän«, erwiderte Chin, und Lew schüttelte ungläubig den Kopf. Sie hatten noch nicht einmal den Hafen verlassen, und schon hatte er eine Meuterei an Bord.
    »Kommen Sie mit runter«, sagte er. Außerhalb der Hörweite der anderen wandte er sich dann an Chin. »Was ist in diesen Kisten außer Kleidern?«
    »Persönliches Eigentum, meine eigenen Schüsseln und Teller aus erlesenem Porzellan, meine Bücher, meine Nachtgewänder und Wäsche …«
    »Schön«, sagte Lew, »aber wir können die Sachen hier unten nicht gebrauchen. Schließlich will ich nicht auf Schritt und Tritt darüber stolpern, und außerdem stellen sie bei Sturm eine Gefahr dar. Sagen Sie Ihren Dienern, sie sollen das auspacken, was Sie während der Reise brauchen, der Rest kommt nach unten.« Allmählich sah der Chinese ein, daß Lew recht hatte, und dieser fuhr fort: »Und dann gebe ich Ihnen noch einen guten Rat. Dort, wo wir hinfahren, brauchen Sie sich nicht so aufzutakeln. Damit fallen Sie auf wie ein Hai im Seerosenteich.«
    »Ein Edelmann von meinem Rang muß sich geschmackvoll kleiden«, entgegnete Chin und musterte unverhohlen Lews abgenutzte Arbeitskleidung und seine verwaschene schwarze Weste.
    »Es gibt dort auch niemanden, den Sie beeindrucken könnten«, erklärte Lew. »Es geht nur darum zu überleben. Außerdem fahren wir in die Tropen, nicht zum Nordpol. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, Mr. Chin, wenn Sie Ihre Sachen gleich aussortieren könnten. Ich habe keine Zeit, mich mit solchen Dingen abzugeben.« Er wandte sich zur Treppe. »Wenn Sie hier Kisten herumstehen lassen, dann gehen die Dinger über Bord, darauf können Sie Gift nehmen.«
     
    Chin Ying ließ sich Wein und Kuchen bringen und setzte sich mit seinen Büchern und Landkarten an den Tisch. Er versuchte zu lesen, doch er war zu aufgebracht. Wie konnte dieser Barbar es wagen, ihn so zu demütigen! Dieser hochmütige Klotz von einem Engländer, der Chinesisch wie ein Bauer redete! Eigentlich hätte die Ehre ihm geboten, das Schwert gegen den Kapitän zu ziehen. Seine Diener, die Yuang-Brüder, trugen Dolche in ihren Ärmeln und waren geübte Kämpfer. Wenn Cavour es gewagt hätte, die Hand gegen ihn zu erheben, hätte er schon einen Dolch im Hals gehabt, ehe er wußte, wie ihm geschah. Und dann hätte sich ja herausgestellt, wer auf dem Schiff das Sagen hatte. Doch die Vernunft sagte ihm, daß Fürst Cheongs Beauftragte in Macao ihre Gründe gehabt haben mußten, so einen Burschen auszuwählen. Sein Tod hätte Chin nur noch mehr Schwierigkeiten eingebracht und außerdem seine eigene unsichere Lage noch verschlimmert. Er war niedergeschlagen und fühlte sich einsam. Wie gerne hätte er nach einer Frau schicken lassen, die ihn bediente und seine Qualen änderte. Schon von Anfang an schien sich alles gegen ihn verschworen zu haben, und wenn er an die vielen Monate dachte, die er in der Gesellschaft dieses überheblichen Engländers würde verbringen müssen, wurde er nur um so bedrückter. Womöglich würde es ihm nicht gelingen, dieses Gold zu finden, geschweige denn ganze Truhen voll, wie Cheong von ihm verlangte. Was dann? Er wagte nicht, so weit zu denken. Seine Diener hatten ausgepackt, was er sofort brauchte, und auf sein Geheiß hin die übrigen Kisten entfernt. Düstere Gedanken plagten Ying. Hatte Cavour recht? Hatten sie wirklich unpassende Kleidung eingepackt? Wenn ja, würde er seine Diener bestrafen und am nächsten Hafen an Land schicken, um alles

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