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Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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verbeugte sich vor Hong und sagte auf chinesisch: »Was macht ein alter Seebär wie Ihr auf diesem netten Schiffchen?«
    Hongs breites Gesicht verzog sich langsam zu einem Grinsen, was ein schrecklicher Anblick war, da ihm mehrere Zähne fehlten und die restlichen aus Gold bestanden. Als die Mannschaft sein Lächeln bemerkte, klatschte sie wieder, diesmal aber begeistert.
    »Diese Dschunke ist ja völlig neu!« rief Lew aus und bewunderte das polierte Holz und das glänzende Messing.
    Hong nickte lebhaft. »Ja, Herr, gibt kein schöneres Schiff.«
    Lew bemerkte Mr. Liens offensichtliches Mißfallen darüber, daß ein Besatzungsmitglied den Kapitän anzureden wagte; doch er für seinen Teil war froh darüber. Ganz gleich, wohin die Reise auch gehen mochte, er brauchte fähige Männer für dieses herrliche Schiff. In diesem Augenblick war ihm sogar das Reiseziel gleichgültig. Wenn alles mit rechten Dingen zuging, würde er dieses Schiff steuern, in das er sich schon jetzt verliebt hatte. Er deutete auf die übrige Mannschaft und wandte sich wieder an Hong: »Sind diese Leute gute Matrosen?«
    Es herrschte Totenstille, als die Männer auf Hongs Antwort warteten. Er wandte sich zu ihnen um und musterte einen nach dem anderen. »Kann sein«, sagte er zögernd, und Lews chinesische Besatzung atmete erleichtert auf.
    Mr. Lien geleitete Lew unter Deck und zeigte ihm stolz die Kapitänskajüte, seinen Tagesraum und die beiden Schlafräume, in denen eine eigenartige Mischung aus östlichen und westlichen Einrichtungsgegenständen herrschte. Reich verzierte chinesische Laternen hingen über einem langen, robusten Tisch, an dem man bequem sitzen konnte, wie Lew zufrieden feststellte – ganz im Gegensatz zu den niedrigen Tischchen, die sonst bei Chinesen üblich waren. An jedem Ende waren lackierte Stühle mit hohen Lehnen am Boden festgeschraubt. Vor den Bullaugen hingen Vorhänge aus rotem Samt, die Kojen waren mit frischer Bettwäsche bezogen. An den Schotten standen lakkierte Schränke und Bänke.
    Er besichtigte den Rest des Schiffes und überprüfte das Steuerreep. Es gab kein Steuerhaus, was bei stürmischer See etwas unangenehm werden konnte; aber er hatte Vertrauen zu diesem Schiff. Dann sprang er die Stufen zu dem hohen Achterdeck hinauf, und mit Stolz ließ er den Blick über das Schiff gleiten. Seine ehemaligen Schiffskameraden würden sich halb totlachen, wenn sie wüßten, daß er eine Dschunke befehligte – na, wenn schon!
    »Gefällt es Ihnen?« fragte Mr. Lien.
    »Wirklich ein prächtiges Schiff«, erwiderte Lew auf chinesisch.
    »Dann wollen wir keine Zeit mehr verlieren. Meine Auftraggeber haben Ihren Bedingungen zugestimmt und erwarten nun Ihre bescheidene Zusage.«
    »Wir werden sehen«, sagte Lew, und er wußte, daß er sich gerade wie sein Vater anhörte. Ein plötzliches Gefühl der Trauer überkam ihn. Jener letzte Besuch in Xiangtan hätte sein Triumph sein sollen. Er hätte seinem Vater das Kapitänspatent gezeigt.
    Er wollte, daß sein Vater stolz auf ihn war. Zu spät. Lew wußte nicht, warum ihn das so schmerzte. Und was machte es für einen Unterschied? Die Erlösung war Pater Cavours Lebensziel gewesen, nicht weltliche Dinge. Sein Gesicht verzog sich zu einem bitteren Lächeln. Immerhin hatte sein Vater sein Ziel erreicht. Wenn Gott sich an seinen Teil der Abmachung hielt, dann war die Seele von Pater Cavour wirklich von dieser sündigen Welt erlöst.

3
    L ew beobachtete, wie sich der Sampan der Dschunke näherte. Er schüttelte sich immer noch vor Lachen: Gold! Und er hatte schon befürchtet, etwas könne am Angebot dieser Halunken faul sein, so daß er ausschlagen mußte. Aber es handelte sich nur um eine ganz gewöhnliche Expedition. Die Verträge waren unterzeichnet und die Dschunke voll versichert, denn die Reise durch die südlichen Meere konnte gefährlich werden. Die Launen der Natur waren schon schlimm genug, doch die eigentliche Gefahr stellten Piraten dar. Er hatte darauf bestanden, genügend moderne Waffen zur Verteidigung des Schiffs zu bekommen, und man gewährte ihm diesen Wunsch. Gerade wurden die Kisten mit Gewehren, Revolvern und Munition verstaut, und es waren sogar mehr, als er angefordert hatte. Es wäre schon schlimm genug, wenn er das Schiff auf der Hinfahrt verlor – kam ihm auf dem Rückweg jedoch die Schiffsladung Gold abhanden, wären die Folgen nicht auszudenken.
    Eigentlich hätte Lew sich denken können, wohin die Reise ging; Hunderte von Schiffen segelten

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