Sonnenfinsternis: Kriminalroman
im Nachhinein davon erfahren. Und nur aus nackter Angst um sein Leben habe er danach nichts unter nom men. Was sollte er auch sonst sagen?
Überrascht nahm ich auch zur Kenntnis, dass der Befehl für den Mord an Hasanović offensichtlich doch von Rappolder höchstper sön lich erteilt worden war. Ich hatte mich also getäuscht: Er konnte durch aus delegieren, auch wenn die Emotionen hochgingen. Er musste nicht zwang haft alles selbst erledigen. Vielleicht war er ja auch einfach zu schlau für mich.
Über den Grund, wieso Mujo überhaupt ins Visier der Naziskins geraten war, konnte Grubenhauer nur vage Auskunft geben. O bwohl Rappolder ungefähr zur gleichen Zeit davon erfahren und fürchterlich getobt hatte, war für den Mord nicht Hasanovićs Beziehung zu Sarah Rappolder ausschlaggebend gewesen, sondern die Tatsache, dass er als Bedrohung für ein immens wichtiges Geheimprojekt der Gruppe gesehen worden war . Bei diesem Punkt druckste Grubenhauer besonders herum, und ich machte eine mentale Notiz an mich selbst , darauf später nochmals zurückzukommen.
Die Gruppe hatte anscheinend über Hasanovićs Vergangenheit Bescheid gewusst , zumin dest in groben Zügen. O bwohl Hasanović ein ‹Kanake› gewesen sei – bei diesem Wort starrte ich Grubenhauer an, bis er den Blick senkte – und damit einem Weissen unterlegen, habe ihn der ‹ Sturmtrupp › als Gegner daher ernst genommen und sich entsprechend vorbereitet.
«Nicht, dass die Hautfarbe irgendwas zur Sache tut, wie du ja eigentlich am b esten weisst», sagte ich angewidert, «aber Slawen sind weiss, du kleiner Arschficker.»
«Slawen?», fragte er verwirrt. «Was hat das damit zu tun?»
«Die bosnischen Muslime sind Südslawen, genau wie die Serben, Kroaten und Slowenen. Hasanović war also ein weisser Mann, genau wie du, du Stück Scheisse. Einfach etwas gebräunter.»
Er schwieg und glotzte mich verwirrt an wie ein Schaf, dass seine Herde verloren hat.
Ich atmete tief durch und fuhr dann mit der Befragung fort. Es stellte sich heraus, dass einer der Skinheads als Tierpfleger beim Zoo Zürich arbeitete. In dieser Funktion konnte er sich Zugriff auf die Hellabrunner Mischung und das dazugehörige Material, Betäubungspfeile und -pistole, verschaffen, auch wenn er dazu natürlich nicht berechtigt gewesen wäre. Deshalb hatte er auch die richtige Dosierung nicht gewusst. Zur Sicherheit hatte er daher genug für ein Pferd aufgezogen, was gemäss Grubenhauer im Anschluss an den Mord für herzhafte Lacher unter seinen Angreifern gesorgt hatte. Hasanović hatte also wohl bereits den Transport nicht überlebt. Das deckte sich mit den Erkenntnissen der Rechtsmedizin. Ich schüttelte den Kopf und machte mir eine Notiz. Der rätselhafte Einstich an Hasanovićs Hals stammte also von einem Betäubungspfeil. Ich hätte mich ohrfeigen können. Tierärzte und –kliniken hatte ich alle abgeklappert, aber den Zoo hatte ich völlig vergessen.
Ich fixierte das Häufchen Elend auf dem Sofa und fragte gereizt: «Und was sollte der Scheiss mit dem zugenähten Mund und dem See?»
«Das war nicht unsere Idee. Ich…»
«Woher willst du das wissen?», unterbrach ich ihn unwirsch. «Ich dachte, du wusstest vorher nichts davon?»
«Das wusste ich auch nicht. Aber ich war bei Kalle, als er die Sache danach am Telefon besprach.»
«Mit wem?»
«Ich weiss nicht, wie er heisst. Er ist unser Kontakt für die Operation Sonnenfinsternis, und…» Plötzlich verstummte er und zog den Kopf ein, wie wenn er jede Sekunde erwartete, Rappolders ganze Wut zu spüren. Auf seinem Gesicht breitete sich ein betretener Ausdruck aus.
Nun nahm ich ihn in die Zange. «Sonnenfinsternis? Worum geht’s dabei?»
«Ich weiss nicht…»
«Lüg mich nicht an», donnerte ich, «sonst wird es dir leid tun, du kleiner Pisser! Worum geht’s bei dieser Operation ?»
«Ich weiss es wirklich nicht», jammerte er. «Echt nicht!»
«Und das soll ich dir glauben?» Ich war aufgestanden und packte ihn nun drohend am Hals . «Du willst die Nummer zwei eurer lächerlichen Bande sein und weisst nichts über ein oh-so-wichtiges Geheimprojekt? Es fällt mir schwer, dir das zu glauben, Freund Markus!»
«Aber es ist so!» Plötzlich begannen ihm Tränen über die Wangen zu kullern. Fassungsglos starrte ich ihn an, als er schluchzend hervorstiess: «Es ist wahr! Kalle ist der Einzige, der alles weiss. Nur Harald und mir hat er überhaupt davon erzählt. Aber auch wir wissen nur, was das Ziel der Operation ist,
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