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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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über Jahre mühsam aufgebautes männliches Selbstbild, sein im Kern unsicheres Mitläufer-Ich, alles schien richtiggehend dahin zu schmelzen wie ein Eiszapfen in der Frühlingssonne. Seine Augen sahen aus, als wollten sie aus den Höhlen treten. Sein Mund war offen und ich konnte seine Zunge zucken sehen, aber kein Ton kam heraus. Dann begann er wie verrückt zu schwitzen und am ganzen Körper zu zittern.
    Nachdem wir das ganze Video zweimal geschaut hatten, fragte ich fröhlich: «Na, Analprinzessin, was meinst du? Das Licht war nicht so toll, aber ich finde, du machst trotzdem eine gute Figur.»
    Er zeigte keine Reaktion. Von seinem linken Mundwinkel hing ein dünner Geifer faden.
    Ich wartete geduldig.
    Plötzlich beugte er sich vor , würgte ein paar Mal trocken und übergab sich dann ausgiebig und geräuschvoll . Als er sich wieder aufsetzte, war das Handtuch um seine Hüften voller halbverdauter Spaghetti. Auch an seinem Kinn fanden sich Überreste davon, und da seine Hände auf den Rücken gefesselt waren, konnte er sie nicht abwischen.
    «Aber, aber, mein Kleiner, wer wird denn gleich kotzen?» Ich griff in meine Jacke und wischte ihm den Mund mit einem Papiertaschentuch ab. Er begann erneut zu zittern.
    Ich hatte kein Mitleid mit ihm. «Also, Markus, mein Freund, du fragst dich sicher, was nun werden soll, nicht wahr?»
    Er schwieg.
    Etwas lauter wiederholte ich: «Nicht wahr , Freund Markus?»
    Diesmal nickte er und schluckte dabei krampfhaft.
    «Na schön», fuhr ich fort, «dann sag ich dir also, was jetzt läuft. Aber zuerst einmal: Ich habe diesen kleinen Softporno bei mehreren Bekannten hinterlegt. S ollte mir irgendwas passieren – und wenn ich mich auch nur an einem Blatt Papier schneide – dann landet eine davon ganz schnell bei deinem Kumpel Rappolder. Capisci ?»
    Er nickte unmerklich.
    «Ich kann dich nicht hören, Freund Markus.»
    «Ja, ich hab’s verstanden», krächzte er.
    «Schön.» Ich stand auf und fragte im wahrsten Sinn des Wortes von oben herab: «Willst du wissen, weshalb ich hier bin?»
    Er zuckte mit den Achseln und starrte auf den Boden, ein besiegter Ausdruck auf seinem zernarbten Gesicht.
    «Ich sag dir, was ich will… Aber zuerst: Schau mich an !»
    Mit Zeigefinger und Daumen meiner rechten Hand packte ich ihn grob am Kinn und zwang ihn, den Kopf zu heben.
    Er wich meinem Blick weiterhin aus. Ich versetzte ihm eine schallen de Ohrfeige und herrschte ihn an: «Ich sagte, schau mich an !»
    Er tat, was ihm gesagt wurde . Ich konnte die Resignation in seinen Augen sehen. Das Ganze hatte nicht gerade lange gedauert. Lucović war ein deutlich härterer Brocken gewesen.
    «Also», fuhr ich in gefällige re m Ton fort, «Markus, mein Freund, ich will wissen, was mit Hasanović gelaufen ist. Vielleicht vergesse ich dann die andere Geschichte.»
    In Grubenhauers stumpfen Augen flackerte ein Fünkchen Hoffnung auf, als ich ihm diesen Ausweg anbot . Er war der geborene Mitläufer, gewohnt, sich Autorität unterzuordnen , und h ier und jetzt war ich die höchste Macht , die für ihn existierte. Nach der überraschenden und für ihn extrem schockierenden Enthüllung, dass ich von seine m quälenden Doppelleben wusste, und der damit verbundenen Androhung seines sozialen Ruins bestand seine letzte Hoffnung darin, diesen durch vollständige Kooperatio n abzuwenden . Plötzlich war er geradezu versessen darauf, mich zufrieden zu stellen.
    Während der nächsten Viertelstunde zog ich Grubenhauer nach und nach alles aus der Nase, was er wusste. Und das war nicht wenig. Er bestätigte, dass der Mord an Mujo Hasanović von der Aktion Mjölnir ausgeführt worden war. Über das Warum und Wieso wusste er nichts und es schien ihm auch egal zu sein, aber über das Wie konnte er detailliert Auskunft geben. Der ‹ Sturmtrupp › , wie er das nannte, war von Harald Wagner angeführt worden, der Nummer drei der Aktion Mjölnir. Über Harald – anscheinend einer der ältesten Skins in Rappolders Gruppe – wusste ich bisher nur, dass er eine Vorliebe für Baseballschläger hatte. Nun erfuhr ich zusätzlich, dass er ein ehemaliger Hammerskin aus Deutschland war und erst seit ein paar Jahren in der Schweiz lebte. In seiner Heimatstadt Dortmund hatte er wegen verschiedener Delikte, darunter Volksverhetzung und schwere Körperverletzung, mehrere Jahre im Gefängnis gesessen . Ein richtiger Musterbürger.
    Natürlich schwor Grubenhauer auch Stein auf Bein, er habe selbst nichts damit zu tun gehabt und erst

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