Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Programme, die Art, wie die Wählerschaft auf ihre Seite gezogen wurde… daraus können wir viel für unsere heutigen Pläne lernen. Wir stehen kurz vor der Gründung einer Partei. Das Programm ist massgeschneidert. Denk nur mal an die Reaktion der Wähler, wenn unbekannte ‹Islamisten›» – er grinste höhnisch – «ein paar Bomben in den Pendlerzügen der Zürcher oder Berner S-Bahn zünden. Oder in Kloten oder Opfikon oder Rümlang ein landendes oder startendes Flugzeug mit einer Stinger abgeschossen wird und ein Bekennerschreiben auf Arabisch eingeht. Schon sind wir in den Medien mit unseren Forderungen, bald darauf haben wir Fraktionsstärke, dann assimilieren wir die anderen patriotischen Parteien…»
Ich konnte nur den Kopf schütteln ob so viel Fanatismus. «Du übersiehst da aber einen wesentlichen Faktor: Die Art Staatsstreich, wie sie dir vorschwebt, ist in der Schweiz nicht möglich.»
«Wieso nicht? Nur weil wir eine lange demokratische Geschichte haben? Weil wir sieben gleichberechtigte Regierungsmitglieder haben statt einem Minister präsidenten? Wegen dem föderalistischen Staatswesen?»
«Unter anderem, ja. Wir sind nicht die Weimarer Republik. Und die heutige Gesellschaftsordnung ist generell viel stabiler als die damalige. Wir sind nicht gerade aus einem Weltkrieg herausgekommen, den wir verloren haben.»
«Natürlich ist die Situation anders. Aber die Bedrohung auch. Und wir stehen vor der grössten Wirtschaftskrise der letzten Jahrze h nte. Während solchen Zeiten sind die Menschen besonders empfindlich gegen schädliche Einflüsse von Entarteten und Untermenschen. Auch die jüngere Vergangenheit enthält schliesslich genügend Beispiele dafür , dass die Menschen sich nicht alles gefallen lassen, gerade in Krisenzeiten. Es ist Zeit, den Kanaken die Grenzen aufzuzeigen!»
«Wir leben aber in einer Demokratie. Jeder kann zwar seine Mei nung sagen, aber die Mehrheit entscheidet.»
«Ja, und das ist genau das Problem. Die Demokratie steht den wahren Inte res sen der Volksgemeinschaft im Weg.»
Ich erkannte Hitlers Mein Kampf hinter dieser formelhaften Phrase und fragte trotzig: «Und was ist die Alternative?»
«Eine gesunde Volksgemeinschaft braucht einen starken Führer an der Spitze.» Noch mehr Mein Kampf .
«Das hat schon einmal nicht funktioniert.»
«Ja, aber das heisst nicht per se, dass die Idee an sich schlecht ist. Es wurde nur schlecht umgesetzt.»
Mir schwante etwas. «Und wer soll dieser Führer sein? Du?»
Das missionarische Feuer in seinen Augen drohte mich zu ver bren nen. «Wes halb nicht? Ich habe die Intelligenz und sprachliche Begabung, die dafür nötig ist. Meine Vision sorgt dafür, dass die arische Rasse allgemein und die deutsche Volks gemeinschaft im Besonderen überleben kann.»
«Führer der Schweiz?»
Er lachte verächtlich. «Nicht nur der Schweiz, du Kleingeist. Die Schweiz ist nur ein Sandkasten, in dem wir unsere Methoden perfektio nie ren, bevor wir sie im grossen Stil anwenden. Da sie nicht zur EU gehört und international in mancher Hinsicht isoliert ist, müssen wir nicht mit einer Intervention von aussen rechnen, wenn wir die Macht übernehmen. Wenn das geschehen ist, werden wir alle Mittel, die dem Staat zur Verfügung stehen, dafür einsetzen, in anderen Regionen der arischen Revolution ebenfalls zum Erfolg zu verhelfen. Wie die Sowjetunion damals, nur mit der richtigen Ideologie dahinter. Wirtschaftlich gesehen ist die Schweiz eine Mittelmacht, kein Kleinstaat. »
«Die westlichen Regierungen oder die Russen würden vorher militä risch eingreifen.»
«Das werden sie nicht. Das ist ja gerade das Geniale an der Sache: Wir expandieren nicht militärisch, sondern übernehmen jedes Gebiet von innen. Dadurch gibt es keine völkerrechtliche Handhabe für eine Intervention von aussen. Wir können in der UNO immer darauf pochen, dass es sich um rein innerstaatliche Angelegenheiten handelt. Und wenn sich die Westmächte oder die UNO schliesslich doch zum Handeln entschliessen, ist es zu spät. Denk nur daran, was auf dem Balkan passiert ist. Sind wir erst einmal an der Macht, werden sie keinen Krieg riskieren. Der Westen ist schwach. Die Notwendigkeit von Opfern für die Volksgemeinschaft wird nicht mehr eingesehen. Sobald ein paar Bilder von Särgen in den Nachrichten kommen, wollen die Amis und die Briten nicht mehr mitspielen. Schau dir nur an, was im Irak läuft!»
«Und was kommt dann nach der Schweiz? Lichtenstein?»
Mein Sarkasmus
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