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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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Hirn hatte noch nicht die volle Betriebsbereitschaft erreicht.
    Eine bekannte Stimme fragte: «Guten Abend, Herr van Gogh.»
    B litzschnell sass ich aufrecht auf und war plötzlich hellwach. «Imam Kulenović. Was für eine Überraschung. Was kann ich für Sie tun?»
    «Es tut mir leid, Sie so spät noch zu stören…»
    «Kein Problem.»
    «… aber ich muss Sie dringend sprechen.»
    «Jetzt?»
    «Nein, aber morgen wäre gut.»
    «Okay, kein Thema . Wann und wo?»
    «Können wir uns in Ihrem Büro treffen? Das wird zwar ein wenig knapp, aber ich denke, ich könnte mich nach dem Mittagsgebet auf den Weg machen, dann wäre ich… warten Sie… ich denke, so gegen zwei bei Ihnen?»
    «Natürlich. Oder ich komme zu Ihnen nach Hause oder ins Džemat , dann können Sie sich den Weg sparen.»
    «Sind Sie sicher?»
    «Ja, das wäre wirklich kein Problem. Auf dem Rückweg kann ich dann gleich trainieren gehen.»
    «Na gut», erwiderte er hörbar erleichtert, «dann kommen Sie doch auf zehn Uhr dreissig ins Džemat , wir können da in meinem Büro reden. Wissen Sie noch, wo es ist?»
    «Ja, natürlich.»
    «Dann also bis morgen. Und danke!»
    Verblüfft legte ich auf, lehnte mich in meinem Liegestuhl zurück und liess meine Gedanken kreisen. In den ersten Wochen nach der traurigen Wende im Hasanović-Fall hatte ich Steiner mehrfach angerufen und mich erkundigt, ob es Fortschritte gäbe, aber die hatte es nie gegeben . Auch in der Presse war das Echo erstaunlich gering gewesen und dem Mord nicht mehr als eine Randnotiz eingeräumt worden. Hauptgrund dafür war wohl die Tatsache, dass es den Er mitt lern gelungen war, die spezifischen Details zurückzuhalten. Da es sich nicht um eine bekannte Persönlichkeit handelte, waren die Medien auch nicht besonders neugierig.
    Auf einen Schlag kam es mir so vor, wie wenn ich den Fall erst gestern abgegeben hätte. Immer noch gab es verschiedene offene Fragen. Wer hatte ihn ermordet? Hatte die Drogenfahndung ihre Kontakte bei den Albanern angezapft und falls ja, war es ihnen gelungen, eine Verbindung zwischen Mujo Hasanović und der Albaner mafia herzustellen? Weshalb war der Geldbetrag in seinem Mund so klein gewesen? Was hatte der toxikologische Bericht ergeben? Wieso war er vor seinem Tod  – durch Ersticken, obwohl er nicht erwürgt worden war, wie ich mich erinnerte – so fürchterlich zusammenge schla gen worden? Und was zum Teufel hatte er in den Tagen davor ge macht?
    Fiona unterbrach meine Gedanken. «Hey mein Bärchen, was hältst Du davon, wenn wir…» Sie bemerkte meinen Gesichtsausdruck und hielt mitten im Satz inne. «Was ist passiert?»
    Wahrheitsgemäss antwortete ich: «Keine Ahnung.»
    «Wie meinst du das, keine Ahnung?»
    «Kannst du dich an den Hasanović-Fall erinnern? Ich habe dir davon erzählt. Vor etwa einem Vierteljahr?»
    Ihr Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an. Sie war süss, wenn sie sich um mich sorgte. «Du meinst, der arme Mann, der im See gefunden wurde? Der Fall, der dir so zugesetzt hat? Über den du nie richtig reden wolltest?»
    Ich hatte ihr damals tatsächlich nur in ganz groben Zügen von der Sache erzählt und wollte daran auch jetzt nichts ändern. Unsere Welten waren in dieser Hinsicht ein fach nicht kompatibel. In Fionas ging es um Literaturübersichten, Grund popu la tio nen, Stichproben und Regressionsgleichungen, nicht um erstickte statt ertrunkene Wasser leichen mit zugenähten, geldgefüllten Mundhöhlen und gebrochenen Schädeln.
    «Ja», antwortete ich also lediglich, «genau der.»
    «Und was ist damit?»
    «Eben, ich weiss es nicht. Kulenović hat gerade angerufen…»
    «Wer?»
    «Er ist Imam des bosnischen Džemat in Schlieren. Er berät Hasano vićs Witwe.»
    Sie schaute mich fragend an. «Was ist ein Džemat ?»
    «Es ist eine islamische Glaubensgemeinschaft. So was wie eine Kirch ge mein de, aber für den ganzen Kanton. Sie haben eine Art Klub in Schlieren, mit einem Gebets raum und so weiter.»
    «Okay, und was ist mit ihm?»
    «Eben», antwortete ich, «ich weiss es nicht. Er ruft aus heiterem Himmel an und will mich sehen… keine Ahnung.»
    «Vielleicht will er dir nur sagen, dass der Mörder geschnappt wurde?» Ihre Besorgnis wich Hoffnung.
    Ich war nicht überzeugt. «Dann hätte mich Steiner sicher informiert. Nein, es muss etwas anderes sein.» Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. «Aber morgen werde ich es ja herausfinden. Lass uns jetzt nicht mehr darüber reden.» Ich zog sie zu

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