Sonnenfinsternis: Kriminalroman
beständig, gerade auch gegen Feuchtigkeit, und…»
Mir reichte der Vortrag. Ich unterbrach ihn und fragte: «Schön und gut, aber kann man die Herkunft dieses Dingsbums bestimmen? Kön nen wir herausfinden, wo es gekauft wurde?»
Er schüttelte den Kopf. «Hersteller gibt es nur wenige, aber relevant dürften ja die Zwischenhändler sein, und davon gibt es leider eine ganze Menge. Zwölf allein im Kanton Zürich. Und das sind nur die Fischerei bedarfsläden, die ganzen Sportgeschäfte und so weiter sind da nicht mitgezählt, von den ganzen Online-Läden im In- und Ausland ganz zu schweigen. Aber Angelschnur ist sowieso so billig und alltäglich, dass wir auf diese Weise kaum etwas herausfinden werden. Es sagt ja sicher niemand beim Kauf, dass die Schnur für einen Mord gebraucht wird. Wir versuchen es natürlich trotzdem, aber ich bin da nicht besonders zuversichtlich.»
Damit schien so ziemlich alles gesagt zu sein. Ich warf Madame Vetach einen fragenden Blick zu, aber sie ignorierte mich und schaute ihrerseits Steiner ungeduldig an. Es war offensichtlich, dass sie uns loswerden wollte. Eine letzte Frage an die arrogante junge Frau Doktor hatte ich aber noch, obwohl ich mir die Antwort denken konnte. Mit der Hand vage in die Richtung des Unterkörpers der Leiche zeigend fragte ich: «Nur der Voll ständigkeit halber: Was ist mit diesen Verletzungen an den Hand- und Fuss gelenken? Und wieso fehlen an seinen Lippen und anderen Körperteilen ein Stück?»
Sie verzog das Gesicht. «Die Ketten und der Einfluss der Strömung. Der Zürichsee hat eine gewisse Strömung, auch wenn sie natürlich nicht so stark ist wie in einem Fluss. Und die Verletzung am Glied stammt sehr wahrscheinlich von einem Fischbiss.»
Oha! Ich machte eine mentale Notiz, nie mehr nackt im Zürichsee zu baden.
Steiner mischte sich ein. «Ich denke, das wäre alles. Herzlichen Dank, Frau Doktor. Wir finden alleine raus.»
Steiner fuhr mich nach Hause. Unterwegs rief ich den Imam an und teilte ihm die traurigen Neuigkeiten mit. Er war sichtlich erschüttert, hatte aber offenbar damit gerechnet und fasste sich rasch wieder. Nachdem ich ihm seine Fragen so gut wie möglich beantwortet hatte, bot er von sich aus an, Jasmina Hasanović die schlechte Nachricht schonend beizubringen und ihr geistlichen Beistand zu leisten. Beide waren anscheinend gerade im Džemat . Ebenso erklärte er sich einver standen, mit ihr am nächsten Morgen für die definitive Identifizierung beim IRM vorbeizukommen. An diesem Punkt mischte sich Steiner mit den Worten ein, dass es meist besser sei, wenn sich die Angehörigen so rasch als möglich sicher sein konnten und dass er eine Identifizierung noch am gleichen Abend organisieren könne. Kulenović versprach, baldmöglichst zurückzurufen.
Wir überbrückten die Wartezeit mit einem Kaffee und schwiegen dann gemein sam vor uns hin. Ich merkte, dass dieser Fall auch Steiner ungewöhnlich stark beschäftigte. Gute vierzig Minuten später vibrierte dann endlich mein Handy. Kulenović liess uns wissen, dass Jasmina Hasanović es so schnell wie möglich hinter sich bringen wolle. Steiner liess sich Kulenovićs Nummer geben und versprach, alles Nötige in die Wege zu leiten. Ich drückte erneut mein Bedauern aus, verabschiedete mich und beendete das Gespräch.
Obwohl die Identifizierung durch die Ehefrau noch ausstehend war, hatte ich keine Zweifel daran, dass es sich bei der Leiche um die sterblichen Überreste von Mujo Hasanović handelte. Diese Erkenntnis deprimierte mich überraschend stark, und obwohl ich wusste, dass es dafür keinen Grund gab, fühlte ich mich wie ein Versager.
Steiner setzte mich vor meiner Wohnung ab. Ich stieg kraftlos und leer die zwei Stockwerke zu meiner Wohnung hoch, schloss auf, kickte meine Schuhe von den Füssen und schloss meine Beretta im kleinen Wandsafe ein. Guinness protestierte mit lautem Miauen gegen seinen leeren Fressnapf. Wenigstens dieses Problem konnte ich ohne weiteres lösen. Anschliessend klaubte ich ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte mich vor die Glotze. Trotz der verhältnismässig frühen Stunde war ich erledigt und fühlte, wie ich langsam eindöste.
Das K lingeln meines Telefons riss mich aus dem Schlaf. Ich schreck te hoch und verschüttete dabei den Rest des Biers, das ich immer noch in der Hand hielt. Ich schaute auf die Uhr. Halb zehn. Am Apparat war Steiner. Er teilte mir mit, dass Jasmina Hasanović ihren Ehemann zweifelsfrei identifiziert hatte.
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