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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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wichtiger war ja auch, wo sie ausstieg. Ich musste mit ihr reden. Vielleicht hatte ich ja bei ihr mehr Glück als beim guten alten ‹Bruce›.
    Z um Schein beschäftigte i ch mich mit meinem iPod und betrachtete sie unauf fällig. So aus der Nähe sah sie noch bedeutend älter aus, als ich sie zuerst geschätzte hatte. Sie war m indestens Mitte sechzig, wenn nicht Anfang siebzig. Ihre Haare mussten getönt sein. Sie sah eigentlich sehr sympathisch aus, wäre da nicht diese unsägliche Frisur gewesen. Und dieses nutzlose kleine Kläfferchen. Für mich war etwas, das kleiner als eine wohlgenährte Katze war, einfach kein Hund. Ein Collie war ein Hund. Ein Labrador war ein Hund. Aber dieses kleine, undefinierbare Wuschelding war definitiv kein Hund, eher eine Ratte mit Leine daran.
    Ausserdem brauchten Hunde für meinen Geschmack viel zu viel Auf merksam keit. Guinnessund ich, wir führten eine harmonische Männer-WG. Jeder mach te, was er wollte, und basta. Allerdings wollte Guin ness sowieso haupt säch lich schlafen sowie rein- und rausgelassen oder gefüttert und ab und zu gestreichelt werden. Also genau w ie ich.
    Die alte Dame stieg schliesslich bei der Fröhlichstrasse aus, der drittletzten Station auf dieser Strecke. Ich folgte ihr in einiger Entfernung zum Restaurant Fischstube am Seeufer, wo sie sich im Garten an einen Zweiertisch setzte und einen Kaffee mit Schlagsahne – in Zürich Kafi mélange genannt – bestellte. Der Kellner begrüsste sie als ‹Frau Schmied › . Offensichtlich kam sie öfters hier her.
    Ich setzte mich an den Nebentisch und sagte beiläufig: «Schöner Tag heute, nicht?»
    Der kleine Kläffer winselte und verkroch sich unter dem Stuhl seiner Herrin. Diese fixierte mich mit ihren grünen Augen und fragte nicht etwa das Offensichtliche – «Kennen wir uns?» – sondern wollte verdutzt wissen: «Sagen Sie, habe ich Sie nicht vorhin im Tram gesehen?»
    Die Frau litt nicht an Altersdemenz, so viel war klar.
    Ich antwortete freundlich: «Ja, da haben Sie Recht.»
    Ihre Miene wurde misstrauisch «Aber ich denke nicht, dass wir uns kennen. Was wollen Sie von mir?» Sie hatte eine tiefe, angenehme Stimme und sprach Berner Dialekt.
    Ich beschloss, direkt zum Kern der Sache vorzustossen. «Mein Name ist van Gogh, Frau Schmied. Ich bin Privatermittler und auf der Suche nach einer vermissten Person.»
    Über ihr Gesicht huschte ein amüsierter Ausdruck. «Privatdetektiv? Wie Matula? Ich dachte, die gibt es nur im Fernsehen.» Sie sprach sogar für eine Bernerin auffallend langsam, und ihre Wortwahl und Aus sprache waren überaus sorgfältig, als ob sie sich jedes Wort zuerst sorgsam im Kopf zurechtlegte.
    Ich grinste. «Privat ermittler . Und die Realität ist leider viel langweiliger.»
    Schmunzelnd erwiderte sie: «Ja, das kann ich mir vorstellen. Wissen Sie, ich war über vierzig Jahre lang Krankenschwester, und bei uns ist es auch nie so abgelaufen wie in diesen neumodischen Fernsehserien. Obwohl… also, einen Arzt habe ich mir tatsächlich geangelt.» Sie lachte fröhlich. Vor meinem geistigen Auge erschien ein jüngeres Ebenbild der Dame im hellgrünen Kittel einer Krankenschwester. Ich hätte wetten können, dass sie eine tolle Schwester gewesen war. Das Eis schien gebrochen. Aber plötzlich kam ihr etwas in den Sinn. «Haben Sie eine Bewilligung oder so was? Etwas, das Sie mir zeigen können?»
    Immer die gleiche Frage. Routiniert antwortete ich: «Im Kanton Zürich ist ‹ Privatermittler› kein bewilligungspflichtiger Beruf wie zum Beispiel in Basel oder Genf. Der Kanton kann nur ein Berufsverbot erlassen, wenn man sich etwas zuschulden kommen lässt. Ich habe also leider keine Marke wie die Privat detek tive im Fernsehen. Aber ich bin Mitglied im SPPK und habe einen Waffentrag schein. Den und den Mitgliederausweis kann ich ihnen gerne zeigen.»
    Ich stand auf, ging unter dem Gekläffe des Möchtegern-Pitbulls zu ihr herüber und blieb vor ihrem Tisch stehen. Dort nahm ich meine Brieftasche hervor und zeigte ihr die beiden Ausweise. Sie kniff die Augen zusammen und meinte dann leicht verlegen: «Wissen Sie, meine Augen sind leider nicht mehr so gut. Was steht denn da unter ‹SPPK › ?»
    «Schweizerischer Privatdetektiv-Verband ehemaliger Polizei- und Kriminal be am ter», antwortete ich.
    Ihre Miene hellte sich auf. «Oh, dann waren Sie früher Polizist? Das ist gut. Leider wird die Polizei heute viel zu wenig respektiert.»
    Da musste ich ihr zustimmen. Ich beschränkte mich

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