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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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Augen. «Sind Sie ganz sicher? Er ist Bosnier, circa einsfünfundsiebzig gross.»
    «Ja», antwortete er, «ich bin sicher. Aber wissen Sie, ich achte nicht auf diese Jugos. Von dem Gesindel hat’s sowieso zu viele in der Stadt, und einer sieht wie der andere aus.»
    Was sollte ich dazu sagen? Ein richtiger Menschenfreund. Ich starrte ihn ein paar Sekunden wortlos an und antwortete dann: «Erstens ist er Bosnier. Jugoslawien gibt’s nicht mehr, falls Sie die letzten fünfzehn Jahre verschlafen haben sollten. Zweitens hat er eine Frau, die ihn vermisst, genauso wie Sie.» Ich musterte ihn von oben nach unten, von der arroganten Visage über den Ohrring bis zur schwarzen Lederweste über dem halboffenen weissen Hemd und spürte, wie meine Irritation langsam die Oberhand gewann. «Obwohl, wenn ich Sie so anschaue… vielleicht mögen Sie doch lieber Männer?»
    Sein Gesicht wurde schlagartig rot vor Wut, und eine Ader auf seiner Stirn begann sichtbar zu pochen. Er griff unter den Tresen und nahm einen kurzen Holz knüppel mit Lederschlaufe am Griff hervor, mit dem er etwas unbeholfen vor meinem Gesicht herum wedelte. «Ver schwin de! Aber sofort!»
    Ich war etwas enttäuscht. Der echte Bruce Willis hätte sicher einen besseren Spruch auf Lager gehabt. Ohne den Blickkontakt zu unter brechen ergriff ich mein Bierglas, leerte es in einem grossen Zug und rülpste herzhaft. Dann stellte ich das leere Glas vor ihn hin, lächelte ihm freund lich zu und sagte: «War mir kein echtes Vergnügen. Was schulde ich Ihnen für das Bier?»
    «Geht aufs Haus. Und nun verpiss dich!»
    «Aber gern.» Ich stand auf und tat ihm den Gefallen. Schliesslich hatte ich erfahren, was ich wollte, und dem Barkeeper das Maul zu stopfen würde nichts bringen ausser kurzlebiger Befriedigung. Und wer wusste schon, ob er nicht doch mit diesem Holzknüppel umgehen konnte?
    In den letzten zwölf Jahren war ich oft angelogen worden. Sehr oft sogar. Irgendwann entwickelt man ein Gespür dafür. Mein Gefühl sagte mir, dass der Arsch mit Ohren hinter der Bar die Wahrheit gesagt hatte. Wahrscheinlich fielen ihm ‹diese Jugos › wirklich nicht auf. Ich kannte solche Leute. Meist fiel ihnen auch sonst nicht viel auf. Also Fehlanzeige. Ich musste morgen mein Glück nochmals versuchen.
     
    Den Abend verbrachte ich mit Niahm, die nach der Schule von Clau dia vorbei gebracht wurde und eine grosse Schachtel in meine Woh nung schleppte. Darin war ein enormes Schachbrett aus Holz samt Spielfiguren und einer Schachuhr. Es stellte sich heraus, dass Niamh soeben dem Schachklub ihrer Schule beigetreten war und üben wollte. Wir verbrachten daher einen angenehmen Abend zu Hause und spielten, bis Niamh nach ihrem ersten, hart erkämpften und von meiner Seite unauffällig unterstützen Sieg einschlief. Ich trug sie in ihr Bett und löschte das Licht. Mein kleines Mädchen wurde schneller erwachsen, als mir lieb war.
    Kurz darauf hörte ich ein metallisches Kratzgeräusch, dann klopfte es leise. Ich hatte wohl wieder einmal meinen Schlüssel von innen stecken lassen. Alte Gewohnheit. Vor der Tür stand Fiona. Da ich in der Frühe erneut die Zürcher Trams unsicher machen wollte, schlief sie bei mir, damit sie Niamh am nächsten Morgen zur Schule fahren konnte.
    Auch der Rest des Abends stellte sich als sehr angenehm heraus .
     
    Am nächsten Morgen stand ich zum dritten Mal hintereinander be reits vor sechs Uhr morgens an der Freihofstrasse. Langsam hatte ich die Schnauze voll, und ich schwor mir, am nächsten Tag auszuschlafen.
    Der Anfang war nicht vielversprechend. Keiner meiner Hoffnungs träger liess sich blicken, weder ‹ Kojak› noch ‹Leslie› und auch sonst niemand. Also konnte ich nach dem Reinfall mit ‹Bruce› nur noch auf ‹Drew› oder ‹Angela› hoffen.
    Den Rest des Morgens verbrachte ich erneut im Büro, und nach einem frühen Lunch mit Mina stand ich um zehn vor eins schon wieder an der Freihofstrasse. Nach kurzer Wartezeit rumpelte das Tram auf die Minute genau nach Fahrplan heran. Ich stieg ein und setzte mich zur Abwechslung hin.
    Beim Lochergut stieg ‹Bruce› ein, der mich sogleich erkannte. Zur Feier des Wiedersehens winkte ich ihm extrafreudig und mit einem breiten Grinsen zu. Bei der nächsten Haltestelle wechselte er den Waggon. Spielverderber.
    Nach dem Paradeplatz stellte ich überrascht fest, dass auch ‹Angela› mit samt ihre r zu heiss gewaschenen Bulldogge im Tram sass. Ich hatte sie gar nicht einsteigen sehen. Aber

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