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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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Stirn hinuntergelaufen. Er sah aus, wie wenn er einen Geist gese hen hätte. Dann hat er so etwas Komisches gerufen. Das ganze Tram hat ihn ange schaut.»
    Sie war ganz ausser Atem gekommen und hielt inne, um nach Luft zu schnap pen.
    Ich gab ihr einen Moment und fragte dann: «Wissen Sie noch, was er gerufen hat?»
    «Nein… oder doch… nicht so richtig. Irgendwas von einem Prinzip? Ja, genau, das war’s. Ich habe mich danach die längste Zeit gefragt, was er damit wohl meinte.»
    «Ein Prinzip? Was für ein Prinzip?»
    «Keine Ahnung. Aber er hat es sehr laut gerufen. Alle im Tram haben sich nach ihm umgedreht. Und wissen Sie, an einem meiner normalen Tage passiert sonst nicht besonders viel.»
    Hasanović hatte also etwas – oder jemanden – gesehen. Die Frage war nun, was es mit diesem Prinzip auf sich hatte und was er danach tat. Ich fragte also: «Ist er denn ausgestiegen?»
    Sie überlegte einige Sekunden, bevor sie antwortete. «Nein. Oder w arten S ie … ja, doch, gleich bei der nächsten Haltestelle. Ja, genau. Er stand vor der Tür und war ganz nervös und ungeduldig, ganz anders als sonst immer. Und kaum war er draussen, ist er gleich wieder in die Richtung zurück gerannt, aus der wir gerade gekommen waren. Ich erinnere mich, dass mir das sehr seltsam vorgekom men ist.»
    Ich liess die Information kurz auf mich einwirken. Es war also etwas so Wichtiges vorgefallen, dass er zu Fuss zurück in die Richtung geeilt war, aus der er soeben mit der Strassenbahn gekommen war. Dann hakte ich nach: «Können Sie sich auch noch erinnern, an welcher Haltestelle das passierte?»
    «Am Paradeplatz.»
    Mehr kam ihr nicht mehr in den Sinn. Aber die alte Dame genoss die Gelegen heit sichtlich, sich mit jemandem unterhalten zu können, und ich blieb deshalb noch eine weitere halbe Stunde lang sitzen und plauderte mit ihr über dies und das. Ich erfuhr, dass ihr Vorname Irmgard war und erhielt allerlei Tipps für den Umgang mit meiner vorpubertären Tochter.
    Um zehn nach drei drückte ich schliesslich mein Bedauern aus und stand auf. Zum Abschied gab ich ihr meine Karte und bat sie, mich jederzeit anzurufen, falls ihr noch irgendwas in den Sinn kam.
    Wieder hatte ich ein Stück des Puzzles gefunden, aber ich hatte immer noch keine Ahnung, wie die Teile zusammenpassten.

Kapitel 11
     
    Um zehn Uhr morgens sassen Mina und ich schweigend in unserem Büro und frönten dem heiligen Schweizer Brauch des Znüni , der kleinen Zwischenmahlzeit am Morgen. Bei uns bestand sie aus Kaffee und Croissants, welche Mina mitgebracht hatte. Es war Montag, und meine Bürogenossin war erst gerade zur Tür herein gekommen. Wie üblich war sie vom Wochenende gezeichnet. Ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass es sich nicht lohnte, sie auf den offensichtlichen Raubbau an ihrem nicht mehr ganz taufrischen Körper aufmerksam zu machen.
    Demgegenüber war mein eigenes Wochenende mit Niamh geradezu harm los ge we sen. Kebab, Kino, Schach und – Überraschung! – ein Zoo-Besuch hatte das Rahmenprogramm gebildet. Niamh würde sicher einmal Tierärztin werden.
    Nach einer zweiten Tasse Kaffee setzte ich mich an meinen Schreib tisch, startete meinen Laptop und öffnete die Hasanović-Datei, die ich am Freitag nach meinem Gespräch mit der alten Dame aktualisiert hatte. Noch g leichentags hatte ich auch Kulenović angerufen und ihm einen kurzen Zwischenbericht erstattet.
    Nachdem mein an Altersschwäche leidender Computer die Datei end lich gela den hatte, scrollte ich langsam durch sie hindurch. Sie war ent täuschend kurz.
    Mujo war also am Montag der zweiten Juliwoche wie üblich zum Mittagessen nach Hause gefahren. Auf dem Rückweg hatte ihn beim Paradeplatz etwas so aufgeregt, dass er kreideweiss im Gesicht geworden war und wie ein Tier zu schwitzen begonnen hatte. Dazu hatte er irgendetwas von einem Prinzip vor sich hin gestammelt. Schliesslich war er bei der nächsten Haltestelle, also an der Börsenstrasse , ausgestiegen und in Richtung Paradeplatz zurückgerannt. Anschliessend hatte er sich – vermutlich erst einige Zeit später – telefonisch bei Gotti krank gemeldet und war die nächsten viereinhalb Tage nicht zur Arbeit erschienen. Zu Hause hatte er aber den gewohnten Tagesrhythmus eingehalten.
    Am Freitagabend war er dann überhaupt nicht nach Hause gekom men. Dies hatte dazu geführt, dass sich seine Frau Jasmina am nächsten oder übernächsten Tag hilfesuchend an den Imam ihrer Glaubensge mein schaft, Mahir Kulenović,

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