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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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Neonazi?»
    «Neonazis halten nationalsozialistisches Gedankengut hoch, obwohl sie nicht unter der Naziherrschaft aufgewachsen sind. Im Gegensatz zu den sogenannten Alt nazis.»
    «Und die rechtsextremen Skins sind keine Neonazis?»
    «Nicht alle, zumindest nicht im engeren Sinne, trotz der Bezeich nung ‹Naziskins › . Die Musik vieler Rechtsrockbands, welche in der Szene populär sind, enthält zwar Neonazi-Gedankengut, aber der Gross teil der jugendlichen Mitläufer will einfach irgendwo dazugehören und wird vom martialischen Gehabe in der Szene angezogen. So gesehen sind sie sogar eher unpolitisch.»
    «Das macht doch keinen Sinn!»
    «Doch, es macht schon Sinn, wenn du darüber nachdenkst. Sie prü geln sich, grölen herum und kauen Parolen wieder, die sie nicht verstehen, aber im Grunde genommen ist es nicht der politische Inhalt, der sie anzieht, es ist das Gefühl, einer Bruderschaft anzugehören. Du weisst, was ich meine: e twas wert zu sein, für voll genommen zu werden, gemeinsam stark zu sein. Natürlich lernen sie die Texte der Songs auswendig, aber der grosse Teil der Mitläufer verinnerlicht diese nicht, und die meisten davon verschwinden nach ein paar Jahren wieder aus der Szene.»
    «Okay, und die eigentlichen Neonazis sind anders?»
    «Ja, bei denen steht das politische Programm im Vordergrund und sie arbeiten verdeckt und auch offen darauf hin. Aber im Volksmund und in den Medien werden die beiden Begriffe halt meist synonym verwendet, da hast du schon Recht.»
    «Und was ist nun Kalle Rappolder, ein Skinhead oder ein Neonazi?»
    «Er ist ein Neonazi, der sich gerne als Skinhead ausgibt.»
    Ich hustete. «Willst du mich verscheissern?»
    «Überhaupt nicht. Rappolder verfolgt eindeutig politische Ziele. Das ganze Nazi skingehabe mit Springerstiefeln und Glatze und so ist bei ihm nur Mittel zum Zweck. So rekrutiert er seine Gefolgschaft.»
    «In den Nachrichten sieht man aber nur Glatzköpfe, wenn überhaupt mal über Rechtsextremismus berichtet wird.»
    «Ja, das stimmt. Das hängt mit den Strukturen der Skins zusammen.» Er räusperte sich , bevor er mit seinem Vortrag fortfuhr, den er ganz offensichtlich nicht zum ersten Mal hielt . «Seit der Spaltung der Skinheadbewegung in den Siebzigerjahren dominieren die Rechts extre men in den Medien tatsächlich, weil ein Bericht über solche Gewalt taten wohl einfach publikumsträchtiger ist als einer über antirassistische Demon strationen linker Skins. Anfang der Achtzigerjahre verbreitete sich dann die Skinheadszene auch nach Deutschland und in die USA. Bomber jacken und Springerstiefel tragen sie alle, aber die von den Medien her bekannten Glatzköpfe finden sich tatsächlich nur bei den Rechts extremen. Eine Vollglatze ist unter traditionellen Skinheads sogar verpönt. Auch d er Bekleidungsstil ändert sich langsam. In Deutsch land sieht man zum Beispiel vermehrt Rechtsextreme in Che-Guevara-T-Shirts oder auch im Kefije .»
    «Was ist das?»
    «Ein Kefije ? Ein Palästinensertuch. Wie Arafat immer eins getragen hat . »
    Ich nickte und fragte: «Und wie kommen die ausgerechnet darauf ?»
    «Einerseits versuchen sie wohl dem negativen Image der Glatzköpfe zu entkommen, und andererseits sehen sie das Palästinensertuch auch als anti semi ti sches Symbol an.»
    «Der Feind meines Feind e s?»
    «So ungefähr.» Er trank einen weiteren Schluck Kaffee und fuhr fort: «Niemand hat gesagt, dass der durchschnittliche Naziskin überdurch schnittlich intelligent ist. Die antirassistischen Skinheads nennen die Glatz köpfe auch Boneheads .»
    Ich prustete unwillkürlich lost und verschüttete dabei einen Teil meines Kaffees. «Boneheads!», wiederholte ich ungläubig, während ich die Sauerei mit einigen Papiertüchern aufzuwischen versuchte. Gunnar ermahnte mich halblaut: «Hey, etwas leiser !» Dann lehnte er sich zurück, verschränkte die Arme und fragte: «Du weisst also, was es bedeutet?»
    «‹Knochenkopf › . Ein Slang ausdruck für Idiot.» Dann fügte ich erklärend hinzu: «Ich bin zweisprachig aufgewachsen.»
    «Praktisch.»
    «Absolut.» Ich lehnte mich zurück und versuchte , die Flut an Informationen zu verarbeiten. Das Ganze war viel komplizierter, als ich gedacht hatte.
    Gunnar las meine Gedanken: «Kompliziert, was?»
    «Ja, echt verwirrend.»
    Er zuckte mit den Achseln. «Genau genommen ist es sogar noch kompli zier ter. Manche der Traditionalisten nennen sich heute auch ‹Trojans › , wegen Trojan Records , einem Plattenlabel aus

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