Sonnenfinsternis: Kriminalroman
diesem Weg unbemerkt ins Haus zu gelangen. Vor allem im Dunkeln. Ich hatte genug gesehen.
Als ich wieder im Auto sass, holte ich erst einmal tief Luft. Es bestand kaum ein Zweifel, dass der ominöse Deutschschüler Mujo Hasanović gewesen war. Dass Katalin Gyurcsány ihn jeweils gegen neun hatte weggehen sehen, besagte nichts. Er hätte sich leicht nach ein paar Minuten durch den Hintereingang zurück ins Haus schleichen können.
Endlich kam etwas Bewegung in die Sache. W em sollte ich zuerst einen Besuch abstatten , Schwester oder Bruder? Ich beschloss, Sarah zunächst aus der Sache herauszuhalten und mich auf den glatz köpfigen Kalle zu konzentrieren.
Kapitel 13
Ich parkierte meine Klapperkiste beim Bahnhof Oerlikon. Bevor ich mir nach einem recht erfolgreichen Tag ein Bierchen gönnte, wollte ich mehr über Kalle Rappolder in Erfahrung bringen.
Steiner, dessen Identität ich mir für das Gespräch mit den Gyur csánys aus ge lie hen hatte, war diese Woche in den Familienferien bei Ver wandten seiner Frau in Graz. Angelica war eben eine clevere Person und sorgte so elegant dafür, dass Mar kus während ihrer Ferien nicht zwischen durch « kurz mal ins Büro » gehen konnte. Ich wählte seine Handy nummer. Er meldete sich beim dritten Klingeln und fragte unwirsch: «Was willst du?»
«Na, Markus», fragte ich zuckersüss, «ist dir langweilig?»
«Fick dich ins Knie, van Gogh. Du weisst genau, dass ich nach ein paar Tagen mit Angis Verwandtschaft die Wände hoch gehe!»
Ich lachte. «Das weiss ich allerdings.»
«Eben! Also, was zum Teufel willst du?»
«Kennst du einen Skinhead namens Kalle? Wahrscheinlich Kalle Rappolder, aber beim Nachnamen bin ich mir nicht sicher.»
«Arbeitest du immer noch am Hasanović-Fall?»
«Ja.»
«Und hat deine Frage etwas mit dem Fall zu tun?»
«Ja!»
«Also gut. Nein, Ich kenne keinen Skin namens Kalle, aber wenn jemand etwas über ihn weiss, dann ein Sozialarbeiter namens Neumann. Gunnar Neu mann. Er ist der Gründer der Aktion Holocaust-Aufklärung . Einer der besten Kenner der Schweizer Neonazi -Szene. Ich kann dich mit ihm in Verbindung bringen, wenn du willst.»
«Ja, bitte. Schickst du mir seine Nummer?»
«Geht leider nicht. Er wird öfters mal bedroht wegen seiner Arbeit. Ich habe ihm versprochen, seine Nummer nicht weiterzugeben. Aber ich kann ihm deine geben und ihn bitten, dich anzurufen. Okay?»
«Sicher, solange es nicht Tage dauert.»
«Sollte es nicht. Er ist ein wirklich guter Typ.»
«Okay, dann warte ich auf seinen Anruf.»
«Du schuldest mir was.»
«Schreib’s auf die Liste. Danke, Markus.»
Das Klingeln meines Handys riss mich aus dem Schlaf. Ich warf einen Blick auf die Uhr in der Mitte der Autokonsole. Vier Uhr fünfundvierzig. Nachmittags. Ich musste eingepennt sein. Belämmert tastete ich nach dem Handy, drückte die Sprechtaste, nachdem ich es endlich gefunden hatte, und sagte verschlafen: «Hallo?»
Eine tiefe, sonore Stimme fragte: «Herr van Gogh?»
«Am Apparat.»
«Neumann hier. Wachtmeister Steiner von der Kantonspolizei hat mich ge be ten, Sie anzurufen.»
Ich setzte mich gerade hin und schüttelte ein paar Mal den Kopf hin und her, um die Spinnweben in meinem Hirn zu vertreiben. Dann antwortete ich: «Ja, genau. Danke für ihren Anruf.»
«Keine Ursache. Worum geht es?»
«Wie viel hat Steiner ihnen erzählt?»
«Gar nichts. Nur, dass Sie einige Fragen an mich hätten.»
«Im Moment eigentlich nur eine: Kennen Sie einen Skinhead na mens Kalle? Nachname wahrscheinlich Rappolder.»
Neumann schwieg auffallend lange. Dann antwortete er vorsichtig: «Ja, ich kenne Kalle Rappolder. Weshalb wollen Sie das wissen?»
«Sein Name ist im Zusammenhang mit einem Fall aufgetaucht, an dem ich arbeite.»
«Wirklich… Gut, hören Sie, am besten treffen wir uns. Wo sind Sie jetzt?»
«Sagen Sie mir einfach, wo ich hinkommen soll.»
«Ich bin in Seebach. Hier oder in Oerlikon wäre gut. Kennen Sie den Star bucks am Max-Bill-Platz?»
«Ja, den kenne ich.»
«Okay. Ich kann Sie da in etwa einer Stunde treffen. Der Laden schliesst erst um sieben. Das sollte reichen, nicht?»
«Sicher.»
«Gut, dann sehe ich Sie dort. In einer Stunde.»
«Bis dann.» Ich beende das Gespräch und überlegte kurz. Ich hatte noch etwas Zeit. Bier oder Kaffee? Mein Bierchen konnte ich auch nachher noch trinken. Aber wenn es denn schon Kaffee sein musste, so konnte ich genauso gut jetzt schon zum Starbucks gehen. Ich startete den Motor und
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