Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
Rücken. Beeilt euch.“
Goth zitterte und Schatten sah, dass einer seiner Flügel krampfhaft zuckte, als er wieder zu sich kam.
„Flieg los!“, drängte Schatten Caliban. Er beobachtete, wie die Bulldoggenfledermaus von dem Opferstein sprang und sich mit seinem Vater auf dem Rücken mit heftig schlagenden Flügeln langsam in die Luft erhob. Ariel war neben ihm unterwegs und Marina und Chinook ebenfalls. Er selbst sprang jetzt auch, öffnete den Mund, um ein Gewebe der Unsichtbarkeit zu spinnen, das sie in den Himmel bringen sollte. Klauen spießten seinen Schwanz auf und zogen ihn wieder nach unten.
Es geschah so schnell, dass er nicht einmal aufschreien konnte. Er zerrte sich los, spürte, dass sein Schwanz beinahe in zwei Teile zerriss, und blickte Goth ins Gesicht. Von der Angst war nichts in ihm zurückgeblieben, sie war vollkommen aufgebraucht, alles, was übrig war, war der blanke Überlebenswille. Er bellte Goth Klang ins Gesicht und schlug ihn heftig. Wut explodierte aus Goths Augen und Lungen, er schlug zu und rasierte ein Stück Fell von Schattens Schulter.
Schatten täuschte an, machte eine Rolle, hielt sich Goth mit Klang vom Leib, aber der Kannibale trieb ihn stetig auf die Mauer zu. Über Goths Schulter konnte Schatten sehen, wie Caliban seinen Vater durch die Deckenöffnung in die Freiheit trug – und dann sah er etwas so Erstaunliches, dass er glaubte zu halluzinieren.
Sechs Feuerbälle fielen wie kleine Sonnen in die reine Schwärze des Tempels. Irritiert durch das plötzliche Licht wandte sich sogar Goth um. Dann erkannte Schatten, dass es die flammenden Enden von brennenden Stöcken waren, und das konnte nur eins bedeuten:
Eulen.
In einem Donnerschlag gefiederter Flügel explodierten sie durch die Öffnung und Schatten erkannte Orest vorneweg mit wild funkelnden Augen und Schnabel.
Vom Rand der runden Öffnung sprangen lange Ranken und Kletterpflanzen herab und ergossen sich in den Raum darunter.
Und während sie sich noch ausrollten, rannte an jeder von ihnen eine Ratte herab.
Er sah Cortez unter ihnen, als sie zu den Wänden sprangen, auf den Boden, auf die Rücken von überraschten Kannibalenfledermäusen und ihre Zähne tief in sie hineingruben.
Goth richtete sich wieder auf und wandte sich zu Schatten, aber bevor er noch das Maul aufreißen und sich auf ihn stürzen konnte, hatten ihn schon Orest und eine andere Eule in ihren Krallen gepackt.
„Wir haben ihn, Silberflügel“, rief Orest. „Flieg jetzt los!“
Schatten zögerte nicht. Er schwang sich höher und höher, platzte durch die Öffnung, schnappte nach Luft, als wäre er an die Oberfläche des Ozeans gekommen.
„Schatten, Schatten, hierher!“, rief ihn Marina. „Die Eulen kommen, uns zu helfen! Von überall her im Dschungel!“
Schatten sah immer mehr Eulen, die sich durch die Öffnung hinabstürzten in den Kampf mit den Kannibalen, und wurde von Erleichterung überwältigt. Dann hörte er hoch über sich in der Luft ein schwaches Pfeifen. Er blickte hoch und sah es. Wie ein Blitzstrahl versengte es sein inneres Auge.
Goths Metallscheibe.
Sie kam direkt auf sie alle herabgestürzt.
Er hörte, wie Marina ihm zuschrie wegzufliegen, aber er wusste, dass das nichts nützen würde. Ein Bild löste sich aus seiner Erinnerung: die gewaltige Größe der Explosion, die durch diese großen Scheiben ausgelöst wurde, jene riesige Feuersäule. Sie würde sie alle verschlingen, die Eulen und Ratten, die noch in der Pyramide waren, und alle hier draußen im Umkreis von hunderten von Flügelschlägen.
Zotz würde schließlich doch noch sein Opfer bekommen und es würde mehr als hundert Herzen umfassen – es würden tausende sein. Er schaute hoch zum schwarzen Himmel und suchte die Sonne.
Noch verfinstert.
Fiel die Bombe, solange es noch dunkel war, dann würde Zotz herrschen.
„Holt alle aus der Pyramide heraus!“, schrie er Marina zu. „Sagt ihnen, dass Menschenfeuer kommt. Sagt’s ihnen!“
„Schatten, dafür ist keine Zeit!“, rief Ariel. „Komm mit uns!“
„Ich werde Zeit schaffen!“, rief er zurück.
Er flog hinauf direkt auf die Scheibe zu, hüllte sie in Klang ein, studierte ihre Form, die Neigung, mit der sie fiel. Er war jetzt schon so müde, seine Flügel waren bleischwer, die Kehle wund, und woher sollte seine Kraft kommen? Zum ersten Mal im Leben sprach er zu ihr, rief sie bei ihrem Namen und sagte: „Nocturna, versetz mich in die Lage dies zu tun!“
Im fortdauernden Fall kreischte die
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