Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

gerettet“, sagte Schatten ärgerlich. „Man sollte annehmen, die Eulen wären dankbar dafür, aber irgendwie glaube ich nicht, dass sie davon sehr beeindruckt sein werden.“ Er fühlte sich müde. „Jetzt haben wir nur einen weiteren Kampf vor uns.“
    „Sie könnten uns helfen“, erinnerte ihn Marina und deutete mit dem Kopf auf Orest und die anderen Eulen.
    Schatten nickte. Es war die einzige Hoffnung, die auch er hegte. Aber gleichzeitig machte er sich Sorgen, dass alles Gute, das sie im Dschungel geteilt hatten, irgendwie vergessen sein könnte, wenn sie einmal Brückenstadt erreicht hatten. Der ganze gemeinsame Flug nach Norden könnte einfach als eine Sache der Bequemlichkeit erscheinen und sie würden sich wieder zu ihren eigenen Krieg führenden Parteien zurückziehen. Auch Orest.
    Bald würde er es genau wissen.
    Als Schatten sich den glitzernden Höhen von Brückenstadt näherte und sie ihren Sinkflug begannen, sah er eine kleine Gruppe von Fledermäusen auf sie zuflattern.
    „Es ist Achilles Grauflügel“, sagte Marina.
    Schatten beobachtete, wie sich der berühmte General vorsichtig näherte und dann ausrief: „Fliegt ihr aus freien Stücken zusammen mit diesen Eulen?“ Schatten wusste, der General musste annehmen, dass sie alle Gefangene der Eulen seien, vielleicht als Geiseln für einen sicheren Überflug über Brückenstadt.
    „Jawohl“, rief Cassiel laut zurück, „wir sind freiwillig bei ihnen. Es sind Freunde.“
    Schatten vernahm überraschtes Gemurmel unter den anderen Fledermäusen.
    „Das ist schwer zu glauben“, sagte Achilles Grauflügel, „wenn der nördliche Horizont von einer Eulenarmee verdunkelt wird, die weniger als eine Stunde entfernt ist.“
    „Ist mein Vater unter ihnen?“, fragte Orest unwillkürlich.
    Achilles sah die Eule misstrauisch an. „Dein Vater?“ „König Boreal.“
    „Es ist König Boreal, der die Armee anführt“, antwortete der General kühl.
    „Dann muss ich sofort mit ihm sprechen“, sagte Orest.
    „Zu diesem Zweck ist bereits unsere Delegation aufgebrochen“, entgegnete Achill.
    Orest flog in einem Bogen zu Schatten zurück. „Dann wollen wir uns beeilen“, sagte er.
    „Du willst uns helfen?“, fragte Schatten.
    „Natürlich“, antwortete die Eule, „von ganzem Herzen. War das nicht klar?“
    „Vater, ich wäre dankbar, wenn du mich sprechen ließest“, sagte Orest zu König Boreal.
    Hoch über Brückenstadt kreisten die Führer der Fledermaus- und Eulenreiche vorsichtig umeinander. Schatten fühlte sich ausgesprochen fehl am Platze in der Gesellschaft von Halo Langschwanz, Achilles Grauflügel und den anderen Ältesten der Fledermäuse. Und er fühlte sich ganz besonders unwohl dabei, so nahe bei dem riesigen König Boreal zu fliegen mit seinem prächtigen silbernen Kopf und dem Gefieder mit der Blitzzeichnung, die er mit seinem Sohn teilte. Schatten wusste, dies würde die letzte Unterredung sein, bevor die Schlacht begann. Ängstlich beobachtete er Orest, als er zu seinem Vater sprach.
    „Hast du ein gutes Verhältnis zu deinem Vater?“, hatte er ihn hoffnungsfroh gefragt, während sie zu dem luftigen Treffen eilten.
    „Nicht besonders“, hatte Orest geantwortet.
    Und tatsächlich, ihr Zusammentreffen war weit entfernt von dem, was Schatten erwartet hätte: nur ein steifes Nicken zwischen Vater und Sohn. Aber vielleicht, dachte Schatten, lag das nur an der Situation. Es war nicht der Augenblick für ein gefühlsbetontes Wiedersehen.
    König Boreal schien irritiert durch die Bitte seines Sohns, sprechen zu dürfen. „Ist das wichtig für die Angelegenheit, mit der wir es jetzt zu tun haben?“, fragte er mit markerschütternder Donnerstimme.
    „Ja“.
    „Fasse dich kurz.“
    „Wir dürfen gegen diese Fledermäuse keinen Krieg führen“, begann Orest nervös und blickte in die Runde zu den anderen Eulen, die kaum ein verächtliches Gelächter unterdrücken konnten.
    „Ich denke, Euer Sohn benötigt etwas mehr Unterweisung in solchen Angelegenheiten“, murmelte einer der Eulenbotschafter.
    König Boreal warf dem Sprecher einen vernichtenden Blick zu, mehr brauchte er nicht zu tun, um seinen Tadel deutlich zu machen.
    „Warum sagst du das?“, fragte er seinen Sohn streng. „Schatten Silberflügel hat mir das Leben gerettet“, begann Orest zögernd. „Nicht einmal, sondern zweimal. Im letzten Herbst, als wir die nächtlichen Himmel für die Fledermäuse geschlossen haben, dachten wir, sie hätten Vögel umgebracht.