Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
Fledermäuse auf, um mit ihnen zu fliegen, hauptsächlich die Silberflügel, die ursprünglich mit ihnen zusammen vom Hibernaculum aufgebrochen waren.
„Seht ihr“, rief Arkadia selbstzufrieden. „Wir setzen unser Vertrauen in eine höhere Macht als die eure.“
„Dann wünsche ich euch alles Gute“, sagte Frieda. Das Geräusch schwerer Tritte über ihnen ließ Marina die Flügelschläge beschleunigen. Zwei Menschen bahnten sich vorsichtig ihren Weg über die Metallstreben des Glasdaches auf die Eingangsöffnung zu.
„Schnell!“, rief sie. „Sie wissen anscheinend, dass ich die Klappe aufgesperrt habe.“
Erleichtert sah sie, dass der Stock noch hielt, obwohl er unter dem Druck zitterte. Beißender Rauch kräuselte sich aus der Mauer heraus und das angestrengte Surren von Maschinen wurde lauter.
„Beeilt euch!“, rief sie, während sie am Ausgang wartete und den Fledermäusen hindurchhalf.
Die Menschen, konnte sie hören, waren schon sehr nahe. Man hörte Metall auf Metall, als irgendetwas hochgehoben wurde. Neben ihr öffnete sich plötzlich eine Klappe und eine menschliche Hand schob sich herein und tastete herum. Sie berührte den Stock, die Finger schlossen sich um ihn und begannen zu ziehen.
Marina grub ihre Zähne in das weiche Fleisch, nicht ohne eine gewisse Befriedigung.
Ein Schrei ertönte und die Hand wurde zurückgezogen.
Sie sah, wie Frieda sich durch die Öffnung quetschte, dann Ariel. Jetzt war sie an der Reihe. Die Menschenhand streckte sich wieder durch die Klappe, diesmal hielt sie eine bedrohlich zugespitzte Stange. Marina sprang zur Seite, aber der Mensch fuchtelte wild mit der Stange herum und versperrte ihr so den Weg zum Ausgang. Sie hörte, wie Ariel vom oberen Ende des Schachtes nach ihr rief.
Marina hielt Abstand und beobachtete, wie die Stange blindlings herumstocherte. Sie sah, wie ihr Stock ins Rutschen geriet, sah, wie die Klappe fiel. Sie warf sich vorwärts, die Klappe klemmte ihren Schwanz ein. Sie zerrte, zuckte zusammen, als etwas von ihrer Haut abgerissen wurde. Aber sie war durch. Sie öffnete die Flügel, ihre Krallen glitten an dem Metall entlang, als sie sich den steilen Schacht emporarbeitete. Über ihr hockt Ariel und wartete ängstlich. Marina hievte sich über den oberen Rand, eilte hinter Ariel her durch den Tunnel und schoss in den sternenübersäten Himmel hinaus.
Der wilde Aufprall kalter Luft verschlug Schatten den Atem. Taumelnd, kopfüber taumelnd sah er Wolken, wusste aber nicht, ob er von ihnen weg fiel oder auf sie zu. Er stürzte so schnell, dass er Angst hatte, die Flügel auszubreiten, weil der Wind sie ihm sonst vielleicht abreißen könnte. Er konnte kaum atmen, der Zug blies ihm kreischend die Luft von der Nase weg. Er war kurz davor zu ersticken. Hoch in der Luft und nichts zu atmen.
Wie konnte er auf die Wolken zufallen? Sein Magen kam ihm hoch und er musste würgen. Seine Sicht verengte sich und weitete sich dann wieder. Sterne oben, das war in Ordnung, oder? Ja. Die Sterne waren oben. Gut. Wolken unter ihm? Nicht gut. Man fiel nicht auf die Wolken zu.
Er überlegte wie ein Neugeborenes, ein paar Tage alt, versuchte Ordnung in die Dinge zu bekommen. Langsam dämmerte ihm, dass er vielleicht höher war als die Wolken. Und damit ergab die Welt wieder Sinn.
Er war noch nie so hoch gewesen. Kein Wunder, dass er fror, kein Wunder, dass er kaum atmen konnte. Gab es so hoch oben überhaupt Luft? Er taumelte noch hinab, aber allmählich streckte er doch ein kleines bisschen die Flügel aus, um sich zu stabilisieren.
Über ihm waren Sterne und ein Stück Mond und er konnte – als kleine Flecken am Nachthimmel – andere Fledermäuse wie ihn selbst fallen sehen.
Er stürzte nun direkt nach unten. Er erkannte, dass die Metallscheibe, die ihm an den Körper gekettet war, seinen Fall gefährlich schnell machte. In dem Käfig, wo er meistens auf allen vieren gewesen war, hatte er gar nicht gemerkt, wie schwer sie war. Nun war sie wie Ballast. Unter ihm befand sich ein weißes Wolkenmeer.
Allmählich entfaltete er die Flügel weiter. Der Wind fing sich darin, seine Wirbelsäule traf ein Schlag, als die Arme wie Peitschenstiele nach oben gerissen wurden. Sein Fall verlangsamte sich so schnell, dass es sich anfühlte, als würde er zurück in den Himmel gesaugt.
Immer noch rasten die Wolken auf ihn zu. Er konnte nicht verhindern, dass er die Augen schloss und die Luft anhielt, als er in sie hineinplatzte. Es gab einen richtigen Aufschlag, als
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