Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
was für eine Qual es sein würde, gegen den Schlaf anzukämpfen, und wie kalt es sein würde. Aber sogar Frieda hatte dem Argument zugestimmt, dass wenigstens der Himmel frei von Eulen sein würde.
Und nun trafen sie auf diese da, die ihnen den Weg durch den Wald versperrte.
Flieg weg, dachte Schatten zornig. Hau ab!
Aber die Eule rührte sich nicht. Sie war auch nicht allein. Tief im Wald ertönte ein Klageschrei und Schattens Herz machte einen Satz. Die erste Eule erwiderte den Ruf und begann langsam ihren riesigen Kopf zu drehen.
Eine Eule war möglicherweise Pech; zwei davon waren entschieden verdächtig.
„Wachtposten?“, flüsterte Schatten.
„Mitten im Winter?“, fragte Marina.
„Vielleicht sind wir in der Nähe einer Garnison oder eines Überwinterungsortes.“
„Normalerweise stellen sie im Winter keine Wachen auf. Könnte sein, dass sie nur nach uns Ausschau halten“, fügte sie grimmig hinzu. „Man unterbricht den Winterschlaf nicht ohne Grund.“
Sie schauderte. Wenn diese beiden Eulen wach waren, wie viele waren da sonst noch und was hatten sie vor?
„Oberhalb der Baumwipfel“, schlug Schatten vor. „Wir könnten über sie hinwegfliegen. “
„Nein. Schau nur.“ Schatten folgte ihrem Blick. Durch die nackten Zweige entdeckte er die Silhouette einer Eule, die vor dem Mond ihre engen Kreise zog.
„Wir werden sie umgehen“, sagte Schatten. „Sie können nicht im ganzen Wald Posten aufgestellt haben.“
Seine Füße, die in die eisige Rinde des Astes eingegraben waren, begannen abzusterben. Er bewegte die Krallen ein wenig und beobachtete dann entsetzt, wie sich ein unregelmäßiges Netz von Rissen über den Ast ausbreitete. Ein langes Stück löste sich plötzlich aus der Eishülle und riss ein Dutzend Eiszapfen mit sich. Alles krachte durch die Äste zu Boden. Schatten beeilte sich seinen Griff zu festigen, sein Blick schoss wieder zur Eule.
Deren Kopf drehte sich ruckartig herum.
„Wage nicht zu blinzeln“, zischte Marina ihm zu. Schatten konnte hören, wie ihn die Echostrahlen der Eule trafen und von ihm abprallten. Er versuchte sich so steif wie ein Eiszapfen zu machen. Es war ein fürchterliches Gefühl von diesem Raubvogel gesucht zu werden. Er konnte die heftigen Klangstrahlen fast auf dem Fell spüren.
Schatten wartete ab und hoffte inständig, die Eule würde sich abwenden und das Geräusch als fallendes Eis abtun. Du Idiot, wütete er gegen sich selbst. Warum konntest du nicht einfach still halten? Aber nein, du musstest dich bewegen und eine kleine Lawine lostreten!
Mit zwei Schlägen ihrer kraftvollen Flügel erhob sich die Eule von ihrem Sitzplatz und war über ihrem Baum. Sie landete auf seinem Ast. Ihr mächtiger Fuß mit den vier Klauen bohrte sich nur Zentimeter von Schattens Schwanz entfernt in das Holz. Alles in ihm drängte dazu abzuhauen, aber er wusste, wenn er das täte, würde ihn die Eule in Sekundenschnelle mit ihrem gebogenen Schnabel packen.
Er blickte Marina an und sie hielten sich gegenseitig mit den Augen fest an ihrem Platz. Die anderen Silberflügel waren über die unteren Äste verteilt und er hoffte, dass sie vernünftig genug waren still zu halten.
Plötzlich hüpfte die Eule hinab auf den nächsten Ast. Sie landete hart und schüttelte einen tödlichen Regen von Eiszapfen los.
Sie weiß, dass wir hier sind, dachte Schatten entsetzt. Er wusste, was die Eule vorhatte. Sie versuchte sie aufzuscheuchen oder sie mit den Eiszapfen aufzuspießen. Die Eule hielt inne, legte den Kopf auf die Seite. Sie sprang auf einen anderen Zweig hinunter. Weiteres Eis fiel hinab. Dann senkte die Eule den Kopf, um unter den Ast zu schauen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie die anderen entdeckte.
Da bemerkte Schatten den Eiszapfen. Er hing von seinem Ast herab, näher am Stamm, und er war viel größer als die meisten anderen, da er von einer Reihe von Zweigen gespeist wurde. Er hing direkt über dem Kopf der Eule. Rasch stellte er ein paar Berechnungen an.
Er fing Marinas Blick auf und nickte zu dem Eiszapfen hin.
„Lass ihn fallen“, signalisierte er mit stummen Mundbewegungen.
Sie runzelte die Stirn. „Wie?“, fragte sie mit den Augen.
Er hatte keine Zeit das zu erklären. Er wählte eine Frequenz, die die Eule nicht hören würde, und konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf den Fuß des Eiszapfens. Während der vergangenen Nächte war ihm klar geworden, dass er nicht nur mit Tönen sehen und anderen Fledermäusen Bilder in den Kopf
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