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Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Titel: Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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diesen Bach gesprungen war, hatte er Zeit über alles nachzudenken und die Gedanken überfielen ihn wie ein gewaltiges Gewitter und ließen ihn von Kummer und Wut erschöpft zurück. Er konnte kaum die Kraft aufbringen mit Chinook zu sprechen oder mit Caliban. Er zog sich tief in sich selbst zurück.
    Nicht einmal der Schlaf ermöglichte ein Entrinnen.
    Die schlechten Träume, die er seit seiner Ankunft im Hibernaculum gehabt hatte, waren noch viel bedrohlicher geworden. Er träumte von einer Nacht ohne Morgendämmerung, einer Nacht ohne wenigstens die Hoffnung auf die wärmende Sonne.
    Er träumte von heftigen Winden, die über die Erde fegten und von den grässlichsten Geräuschen begleitet waren, die er je gehört hatte. Gestern war er zitternd aufgewacht von einer Erscheinung, in der die Sonne plötzlich von einem finsteren Auge ausgelöscht worden war, das aber kein Zentrum hatte, kein Licht darin. Es war wie ein Loch, das nur zu tieferer vollkommener Dunkelheit führte.
    Dem Dschungel zu entkommen war der einzige Gedanke, der ihm etwas Kraft gab. Es war das, was sein Vater gewollt hatte, und er hatte Recht gehabt. Er musste zurück in den Norden, den Wald finden, die anderen warnen. Wenn er nur wüsste, ob Marina gefangen worden war wie er selbst oder ob sie es irgenwie zurück zu Ariel und Frieda geschafft hatte. Selbst dann: Konnten sie aus dem Gebäude entkommen sein? Vielleicht wurden sie gerade jetzt in eine Flugmaschine geladen mit Sirenen im Ohr und an den Bauch gebundenen Scheiben. Er lebte in Angst davor, das Krachen von Explosionen über den Dächern der Stadt zu hören, aber dankenswerterweise gab es keine – noch nicht.
    Er war ganz wild darauf aufzubrechen, aber – und das war besonders frustrierend – er selbst war es, der den Abflug verzögerte. Caliban sagte ihm, er könne auf keinen Fall losfliegen, bevor seine Wunde ein bisschen besser verheilt sei. Auch Chinook brauchte noch etwas Zeit, um sich zu erholen. Und keiner brach auf, bevor nicht alle aufbrechen konnten.
    Schattens Verletzung heilte, aber nur langsam. Vor ein paar Tagen hatte er alarmiert bemerkt, dass ihm das Haar in Büscheln ausfiel. Aus Angst, dies könne das Symptom einer fürchterlichen Krankheit sein, hatte er Caliban gefragt und ein Lächeln der langschwänzigen Fledermaus geerntet. Schatten hatte ihn nie zuvor lächeln gesehen; er nahm an, es gab nicht viel, worüber man hier unten lächeln konnte.
    „Man nennt es Mauser“, hatte ihm Caliban lachend erklärt. „Es ist normal in dieser Hitze. Nur dass es sonst erst im Sommer passiert.“ Schatten hatte genickt und sich gewünscht, dass Marina hier wäre. Sie hätte ihm das sagen können. Er war nie zuvor in der Mauser gewesen. Mauser mitten im Winter, im Dschungel. Es war hier so heiß, dass er sich fast einen richtigen nördlichen Winter herbeiwünschte.
    Schatten fing noch einen Käfer und blickte zu Chinook hinüber, der neben ihm jagte. Während der letzten drei Tage und Nächte, waren sie nie weit voneinander entfernt gewesen, hatten Seite an Seite geruht und zusammen gejagt. Sie redeten nicht viel, aber Schatten fand es tröstlich, ihn in der Nähe zu haben.
    Ein Grund dafür war, wie er wusste, dass Chinook die einzige Erinnerung an Zuhause war, die er jetzt hatte. Aber was war sein Zuhause?, dachte er bitter. Und wo?
    Der Baumhort war für immer verloren.
    Ariel, Marina und Frieda waren in dem Gebäude der Menschen gefangen – oder Schlimmeres.
    Du hast dir doch versprochen, nicht mehr daran zu denken, erinnerte er sich.
    „Glaubst du, dass es Marina gut geht?“, flüsterte Chinook.
    „Ich hoffe doch.“
    „Weil ich das Gefühl habe, es ist alles meine Schuld. Ich meine, sie ist doch meinetwegen gekommen, um mich zu suchen, oder nicht? Damals im Gebäude der Menschen? Sie hat viel riskiert meinetwegen.“
    „Nun ... zum Teil, ja, aber ...“
    „So anhänglich“, sagte Chinook und schüttelte in seinem Liebeskummer den Kopf. Und zum ersten Mal seit Nächten ärgerte sich Schatten über ihn und war fast froh darüber.
    „Sie wollte auch herausbekommen, was da vor sich ging“, konnte er sich nicht verkneifen klarzustellen. „Ganz allgemein.“
    „Aber sie hat mich vermisst. Ich wusste, sie würde mich vermissen. Hat sie jemals was zu dir gesagt, du weißt schon ... über mich?“
    Schatten knirschte mit den Zähnen. Gut aussehend.
    Sie hatte ihn gut aussehend genannt, als ob er das je vergessen könnte!
    „Kann mich nicht erinnern, ehrlich gesagt“,

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