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Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Titel: Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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„Hilf mir ihn hereinzubringen.“
    Es dauerte fast eine Stunde, bis Ishmael sich so weit erholt hatte, dass er sprechen konnte. Sie brachten ihm ein mit Tau benetztes Blatt, damit er seine ausgetrocknete Kehle anfeuchten konnte.
    „Wir haben gedacht, du bist tot“, sagte Caliban. „Ramiel hat berichtet, dass er gesehen hat, wie dich zwei Dschungelfledermäuse weggeschleppt haben.“
    „Das haben sie“, krächzte Ishmael. „Sie haben mich zu ihrer Pyramide gebracht.“ Gebrochen schilderte er ein riesiges Steingebilde tief im Dschungel vergraben, das sich mit Abstufungen bis zu einer Spitze erhob, die fast so hoch wie die höchsten Bäume war. „Tausende von ihnen hausen dort“, sagte er und Schatten spürte unter dem Fell eine Gänsehaut.
    Ishmael hustete und nahm noch einen Schluck von dem Blatt. „Da sind auch andere“, sagte er. Seine Stimme war ein Flüstern, das in der riesigen Statue widerhallte. „Mehr von uns.“
    „Wie meinst du das?“, fragte Caliban scharf.
    „Die anderen, die verloren gegangen sind, die geschnappt wurden, viele von ihnen sind noch dort. Gefangen in einem steinernen Grab tief im Inneren der Pyramide. Menschen müssen da früher begraben worden sein, denn da sind große Knochen und Gegenstände aus behauenem Stein und aus Metall.“
    „Warum haben sie euch gefangen gehalten?“, fragte Caliban.
    Die gleiche Frage war auch Schatten in den Sinn gekommen. Warum haben die Dschungelfledermäuse sie nicht sofort gefressen? Wie Goth und Throbb. Sie jagten und fraßen gleich. Er wusste, dass sich etwas Furchtbares ereignen würde, und die Vorstellung erfüllte ihn mit Grauen.
    „Sie benutzen uns zuerst“, sagte Ishmael mit funkelnden Augen.
    Schatten merkte plötzlich, dass er zitterte, dass seine Haut kalt und feucht war. Hör auf, hätte er Ishmael beinahe angeschrien, nicht weiter. Aber er konnte nicht anders als zuhören, während die abgezehrte Fledermaus ihre Geschichte begann.
    „Sie sind gekommen, fast jeden Tag, und haben einen von uns genommen. Nur einen.“
    Schatten sah es vor sich, wie sich die Wachen der Kannibalen hereindrängten und alle die anderen Fledermäuse sich hinten zusammenkauerten und versuchten sich hinter denen weiter vorn zu verstecken und zu hoffen, sie selbst wären unsichtbar. Nimm ihn, nimm sie, nimm jeden außer mir! Ließ das reine Entsetzen noch Raum für Mut?
    „Sie sind nie zurückgekommen“, sagte Ishmael. „Wir haben angenommen, dass sie gefressen wurden. Aber es war noch viel schlimmer als das. Vor drei Tagen sind sie gekommen und haben zwei von uns mitgenommen. Hermes und mich. Sie haben uns an anderen Steinverliesen vorbeigezerrt und ich konnte hören, dass da andere Geschöpfe drin waren. Eulen, ich bin sicher, dass ich Eulen gehört habe, und auch Ratten. Sie haben uns in einen Raum nach oben gebracht. Es muss nahe an der Spitze der Pyramide gewesen sein, denn es war eine Öffnung in der Decke, ein rundes Loch. Ich erinnere mich daran, weil ich hinausgeschaut habe und Sterne sehen konnte, und ich habe einen Teil von mir da hinausgeschickt, damit ich nicht weiter nachdenken musste. Es hat nichts genützt. Ich habe gesehen, was passiert ist.“
    Schatten hörte zu, als wäre er in einem schrecklichen Traum gefangen und könnte sich nicht gewaltsam daraus befreien.
    „Ich erinnere mich, da waren zwei Kannibalen, die auf uns gewartet haben. Ein altes Männchen, vielleicht eine Art Ältester, und ein anderer, viel jüngerer, riesig, mit einem schwarzen Ring am Unterarm.“
    Schatten wusste, wer das war, schon bevor Ishmael den Namen nannte. Natürlich hatte er überlebt. Schatten fing an zu glauben, dass er unsterblich war. „Goth“, flüsterte er.
    „Ja, König Goth, so nannte ihn die alte Fledermaus.“ Ishmael lachte unsicher. „Der König all dieser Monster.“
    Schatten wollte nach der Metallscheibe fragen, ob Goth sie noch trug. War seine ein Blindgänger wie die von Orest oder hatte er sie sich auch aus dem Fleisch gerissen? Aber Ishmael fuhr bereits fort.
    „Da war ein Stein und die Wächter warfen Hermes darauf. Und König Goth sagte: ‚Ich bringe dir dies dar, Zotz‘, und er riss Hermes das Herz heraus. Ich habe gesehen, es hat noch geschlagen, als er es gefressen hat.“
    Das Schweigen im Raum war erstickend. Schatten schloss die Augen und versuchte das Bild aus seinem Inneren zu verbannen. Zotz. Er innerte sich an das, was Goth ihm über diesen Gott erzählt hatte: Die Starken fressen die Schwachen und dabei nehmen

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