Sonnenkoenig
Nachmittag von einer Großwildjagd in Südafrika
zurückgekehrt. Erschöpft ließ er sich im Fernseh-, Video- und Musikzimmer in
den Plüschsessel vorm Kamin fallen. Während er mit der Fernbedienung den
CD-Wechsler startete und mit dem Drücken der Taste Eins die ›Best of Modern
Talking‹ auswählte, kam sein Diener herein, um ihm die Schuhe auszuziehen.
Andrej Doran streckte ihm die Beine entgegen, während Bohlen und Anders ›Win
the Race‹ sangen.
Diese Safaris waren einfach nur
anstrengend und kolossal langweilig. Seine Kunden erwarteten das von ihm. Diese
Events, ob Jacht-Ausflüge auf dem Mittelmeer, Treibjagden in Ungarn oder üppige
Festivitäten, immer ging es nur darum, die Manager der First-Media-Agency und
deren Medienpartner zu hofieren und sie willig zu stimmen. Über ein
kompliziertes Geflecht von Marketingfirmen wurden diese Veranstaltungen
angeboten und aus nicht nachvollziehbaren Quellen finanziert.
Dieses Imperium hatte er über die
Jahre hinweg aufgebaut, immer neue Firmen gegründet, zunächst in Deutschland
und später auf der ganzen Welt. Um nicht den Überblick zu verlieren, hatte er
ein Computerprogramm entwickeln lassen, mit dem er jede kleine Bewegung in
seinem Reich festhielt oder nachvollzog.
Dieser PC war sein Heiligtum. Er
stand im ersten Stock, im Büro neben dem Schlafzimmer und war abgesichert wie
die Bank von England. Auf ihm lagen die Masterdateien. Täglich wurden Back-ups
auf diverse Datenträger gezogen. Wenn diese sensiblen Daten in falsche Hände
gerieten, es wäre nicht auszudenken. Deshalb wurden sie in mehreren
Schließfächern aufbewahrt. Über ein ausgeklügeltes Kreissystem, das alleine 15
Mitarbeiter beschäftigte, von denen keiner vom anderen wusste und keiner
wiederum nur ahnte, wer sein Auftraggeber war, wurden die verschlüsselten und
kopiergeschützten Datenträger regelmäßig ausgetauscht.
Auf dieses System war Rolozko
besonders stolz. Der einzige Nachteil daran war, niemandem davon erzählen, bei
keinem mit seiner Genialität angeben zu können.
Schwimmen, ein bisschen Sauna,
eine kurze, heftige Massage und hinterher schlafen. Das war alles, was er sich
für diesen Abend vorgenommen hatte.
Er war auf dem Weg ins
Untergeschoss, um ein paar Bahnen zu schwimmen, als sein Diener hereinkam.
Rolozko wurde am Telefon verlangt. Es schien wichtig zu sein. Andrej hatte
seine Angestellten gut trainiert, und wenn einer von ihnen einen Anruf als
wichtig einstufte, konnte er sich darauf verlassen, dass es wichtig war. Der
Anruf war wirklich entscheidend. Danach war ihm die Lust auf Schwimmen und
derlei Vergnügen schlagartig vergangen. Die ganze Nacht wälzte er sich im Bett
und grübelte, wie das hatte geschehen können. Er wäre nicht Andrej Doran
Rolozko, wenn er nicht eine Lösung finden würde.
Natürlich gab es immer jemanden,
der ihm ans Bein pinkeln wollte, nichtswürdige Neider und Versager. Die wischte
er mit einer Geste fort, vernichtete sie mit einer einzigen Kopfbewegung. Der
Anruf jedoch hatte eine dramatische Brisanz und kam aus einer Ecke, aus der er
nie im Leben mit einer Attacke gerechnet hätte. Er wertete die Drohung als
einen persönlichen Angriff und würde sich persönlich darum kümmern.
»Hat nix gesagt,
Chef, war stumm wie Fisch. Ehrlich. Haben alles gut durchsucht, alles.
Wirklich, alles und gut gründlich«, wagte jetzt einer der beiden Stuhlsitzer
eine Pause in Rolozkos Redefluss zu nutzen.
»Gut gründlich, du hirnverbrannter
Polacke.«
»Nix Polacke, Chef.
Hirnverbrannter Ungar, bitte schön.«
Andrej Doran schaute den Redner an
und wusste selbst nicht, ob er laut loslachen oder dem blöden Kerl eine
runterhauen sollte. Da er sich längst von grober, handwerklicher Arbeit
verabschiedet hatte, entschloss er sich zu lachen, kurz, heftig und ekelhaft,
um sofort wieder ernst zu werden.
Es war einfach nicht gerecht. Ihm
diese Schwierigkeiten zu bereiten. Bösartig ungerecht. Da sägte jemand an
seinem Stuhl, wollte den König stürzen. Die Macht bin ich, dachte er, einer
seiner intimen Lieblingssätze, als das Telefon klingelte. Rolozko schwieg und
lauschte.
»Ich weiß jetzt, wer hinter der
anonymen Anzeige steckt. Kam vom CIO London. Die hatten einen Hinweis aus
Deutschland erhalten. Die E-Mail liegt mir ausgedruckt vor. Absender: Camcos
GmbH!«
Trotz seiner starken Bräune sahen
die beiden Handlanger, wie Andrej Doran erblasste. Das Gespräch war zu Ende und
Rolozko schleuderte das Mobiltelefon zu Boden, das daraufhin in
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