Sonnenkoenig
der
anderen Seite herantrat, den Koffer hinter sich ziehend oder den Gepäckwagen
vor sich herschiebend und sich im Pulk der ungeduldig wartenden Abholer suchend
umblickte.
Von seiner Position aus behielte
Hagen den sich ständig öffnenden und schließenden Ausgang gleichermaßen im Auge
wie das Ende des vorgeschriebenen, abgeriegelten Weges hinaus in die Halle. Zuweilen
kamen mehrere Personen gleichzeitig heraus und es war sehr schwierig, alle
sofort in Augenschein zu nehmen. Wenn sich nichts tat, musterte er aus reiner
Gewohnheit die Wartenden.
Gleich beim Reinkommen, waren ihm
zwei Typen aufgefallen, die sich extrem gelangweilt auf den
Plastikschalensitzen herumfläzten und dennoch sehr konzentriert die Ankommenden
beobachteten. Der eine, Ninus war sich sicher, es war ein Osteuropäer, hatte
seine langen, grauen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und im rechten
Ohrläppchen blitzte ein weißer stecknadelgroßer Stein auf, wenn er seinen Kopf
bewegte und ein Lichtstrahl darauf fiel. Der graue Anzug schien maßgeschneidert
und die spitzen Krokodillederstiefel, die unter den Hosenbeinen mit breitem
Schlag herauslugten, waren jedenfalls keine Massenware. Wirklich auffällig an
ihm war jedoch die rotleuchtende Narbe, die sich von der Stirn quer über das
rechte Auge bis hin zum Hals unterhalb des Ohres zog.
Wieder öffnete sich die Tür und
spuckte Menschen aus. Carla war nicht dabei. Ninus schaute auf die Uhr. Die
Warte-Park-Taktik hatte sich als überflüssig erwiesen, seit fünf Minuten stand
die mausgraue Ente nun mit abgelaufenem Parkticket vor dem Eingang. Seine
Gedanken gingen zurück zu Burows Anruf.
Er hatte Ninus geduzt. Das war
Ordnung gewesen. Was ihn besonders beunruhigte, war die Eindringlichkeit, mit
der Carlas Vater ihn bat, auf seine Tochter aufzupassen, sie nicht aus den
Augen zu lassen. Gleichzeitig sollte Ninus sich nicht zu erkennen geben und auf
keinen Fall, sollte es doch zu einem Zusammentreffen kommen, von Brunos Anruf
erzählen.
Es scheint der Tag der
merkwürdigen Telefonate zu sein. Das Gespräch mit Lena war alles andere als
locker gewesen. Lena hatte nervös und angespannt gewirkt. Sie bat Ninus um ein
Treffen, morgen um 9 Uhr. Worum es ging, hatte sie verschwiegen und war
ziemlich sauer, als Ninus ihr mitteilte, erst um 12 Uhr Zeit für sie zu haben.
Weiber, schoss es ihm durch den Kopf, milderte jedoch sofort wieder sein
Urteil. Lena war ein guter Kumpel, eine Freundin, auf die Verlass war. Ihre
Beziehung, die sie mal hatten, besser gesagt, versucht hatten, war gründlich
schief gegangen. Das musste er allerdings eher den merkwürdigen Wegen anlasten,
die die Natur dann und wann ging, als es Lena vorzuwerfen.
Carla Cosian erschien.
Unübersehbar und unwahrscheinlich attraktiv. Nicht nur Ninus war elektrisiert,
der langmähnige Osteuropäer ebenfalls, wie die vielen anderen Männer, die
herumstanden oder saßen. Am Ende vielleicht doch ein angenehmer Auftrag, gratulierte
sich Ninus und folgte Carla.
VI. Und wenn ihr das vermasselt, seid ihr
am Arsch
Andrej Doran Rolozko
war wütend. Wie ein aufgeplusterter Gockel stolzierte er auf dem roten Teppich
im Sonnenzimmer seiner Villa in der Sonnenberger Straße hin und her. »Das kann
doch alles nicht wahr sein. Bin ich denn nur von dilettantischen Idioten
umgeben?« Diese Frage stellte er mehr sich als den beiden Männern, die
eingeschüchtert mitten im Raum auf ziemlich unbequemen Stühlen saßen. Während
seine Schimpftirade weiterging, blickte er unablässig auf die 20.000 Euro
teure Armbanduhr. Seine elegante Erscheinung, sein gestyltes Aussehen stand
momentan konträr zu seinem Benehmen.
Es gab in der Tat nur wenige
Menschen, die ihn wirklich kannten. Im Grunde war er ein proletenhafter,
kaltschnäuziger und eiskalt kalkulierender Fiesling. In der Öffentlichkeit
freilich galt er als jovial, stets freundlich, immer zu Scherzen bereit und
Wohltäter der Stadt.
Nicht umsonst verkehrte er in den
feinsten und höchsten Kreisen. Ob Präsidenten, Minister oder Wirtschaftsbosse,
allen galt er als guter Freund, gewiefter Geschäftsmann und intelligenter
Mensch mit Kultur und Feingefühl. An diesem Image hatte er hart gearbeitet und
er versäumte es nie, sein Ansehen weiterhin zu steigern.
Gerade jetzt, wo alles wunderbar
lief, ihm alle Türen offen standen und sein Vermögen sich von Tag zu Tag
vermehrte, erhielt er diesen Anruf, der ihn bis ins Mark erschütterte.
Am vergangenen
Freitag war Rolozko am späten
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