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Sonnenkoenig

Sonnenkoenig

Titel: Sonnenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Lifka
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bekanntes Gesicht gesehen zu haben, war sich aber nicht sicher. Es
war sofort wieder in der Menge verschwunden.
    Wie zwei völlig Betrunkene
torkelten sie über die Straße, stolperten ins Treppenhaus gegenüber.
Schweißgebadet und nach Luft hechelnd kam Ninus letztendlich in seiner Wohnung
an, legte Carla auf dem Sofa ab und wünschte nur, sie hörte auf, immer wieder
zu stammeln: »Das habe ich nicht gewollt.«

     
    Eine Stunde später
stand Ninus am offenen Fenster seines Domizils und blies Zigarettenqualm über
die Dächer der Innenstadt. Es war seine zweite Selbstgedrehte, die er, kurz
nachdem er die erste ausgedrückt hatte, gerollt und sofort wieder angezündet
hatte. Immer wieder schaute er hinüber aufs Sofa, zur schlafenden Carla.
Nachdem er ihr einen mit kaltem Wasser getränkten Waschlappen auf die Stirn
gelegt hatte, war ihr Gestammel verstummt und ein wenig Leben in ihr Gesicht
zurückgekehrt. Er hatte ihr schlückchenweise ein halbes Glas seines besten
Cognacs eingeflößt. Dabei hatte er sie wie eine Pflegebedürftige mit einem Arm
um die Schultern gefasst und in Sitzposition gebracht. Widerstandslos hatte sie
den Alkohol heruntergeschluckt. Für einen Moment war sie zu sich gekommen,
hatte ihn angestarrt, fragend und entsetzt. Noch bevor er etwas sagen konnte,
hatte sie die Augen geschlossen und war umgekippt. Zuerst hatte er gedacht, sie
sei in Ohnmacht gefallen, doch sie schien tief zu schlafen. Sie atmete ruhig
und gleichmäßig. Alle paar Minuten maß er ihren Puls und wechselte den
Waschlappen auf ihrer Stirn.
    Er drückte die Zigarette auf einem
Dachziegel aus und warf die Kippe in den Aschenbecher, der für diese Zwecke an
der Außenseite des Fensters seinen Stammplatz hatte. Er ging zu Carla und
fühlte erneut ihren Puls. Wie schön sie war. Er überlegte, ob er sie entkleiden
sollte, zumindest die Jacke und den Rock. Er entschied sich dagegen. Lediglich
die Schuhe zog er ihr aus und öffnete an der Seite des Kostümrocks die Knöpfe.
Aus dem Schlafzimmer holte er eine Decke und legte diese vorsichtig über sie.
Hagen griff nach dem Mobiltelefon, stellte es auf ›Nummer unterdrücken‹ ein,
ging wieder zurück ins Schlafzimmer, wählte 110 und erklärte dem Beamten, ohne
seinen Namen zu nennen, wo es eine Leiche zu finden gab. Sicherheitshalber
schaltete er sein Funktelefon sofort aus, wobei ihm nie klar war, ob die
Polizei in der Lage war, es dennoch zu orten. Er hoffte nicht. Wie er ebenfalls
hoffte, in Pauls Wohnung nichts übersehen zu haben. Plötzlich wurde es Ninus
schlecht. Verdammt, die Koffer! Wo waren Carlas Koffer? Er hatte die Wohnung
schnell durchsucht, so gut es in dem herrschenden Durcheinander möglich gewesen
war, die Koffer waren ihm nicht aufgefallen. Hoffentlich war Carla morgen
ansprechbar. Sie hatte einiges zu erklären.

2. Kapitel

     

I. Ist Paul wirklich tot?

     
    Sonnenstrahlen
zwängten sich durch die Schlitze des heruntergelassenen Rollos in Hagens
Schlafzimmer und kitzelten ihn an der Nase. Er musste niesen und erwachte.
    Ein kurzer Schlaf, dachte er, und
immer noch die Kleider von gestern an. Er konnte sich nicht genau erinnern,
wann er weggedämmert war. Spät. Oder früh, je nachdem, wie man es sah.
    Nachdem Carla zwei Stunden ruhig
und fest geschlafen hatte, begann sie zu träumen. Schöne Träume waren es
sicherlich nicht gewesen. Mehrmals hatte sie sich aufgerichtet, geschrien und
sich wie wild herumgewälzt. Jedes Mal war Ninus aufgesprungen und hatte sie
festgehalten, damit sie nicht vom Sofa fiel.
    Als er sich wieder daran
erinnerte, sprang er hastig aus dem Bett. Ein Blick auf die Uhr. Es war kurz
nach sechs. Er ging zur Tür und lugte vorsichtig ins andere Zimmer. Mit einem
Ruck stieß er die Tür auf und starrte ungläubig aufs Sofa. Leer! Keine Carla.
Nicht neben oder unter dem Tisch, nicht im Raum, nicht in der Wohnung.
    Alles hatte er geglaubt, aber
dass sie in ihrem Zustand einfach aufstehen und sich aus dem Staub machen
würde – nein, das nicht. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Menschenkenntnis,
Herr Hagen, belobigte er sich und ließ sich in den Sessel plumpsen. Im gleichen
Moment rauschte im Nebenraum die Toilettenspülung, was Ninus veranlasste,
sofort wieder aufzuspringen. Die Badezimmertür ging auf und sein Bademantel kam
ihm entgegen. Erleichtert stellte er fest, im Bademantel steckte Carla
    Mit schwarzen Ringen um den
Augen, zerzausten, nach allen Seiten abstehenden Haaren und verlaufener
Wimperntusche auf den Wangen stand sie vor

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